Der Schüler Pit (Finn Lehmann) mit "Tatort"-Kommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts).

Foto: ORF/ARD/SWR/Christian Koch

Ein Bub mit geschultertem Rucksack betritt das Schulgelände und stapft auf den Hauseingang zu. Eine Klassenkollegin begegnet ihm und erschrickt. "Marlon ist da!", meldet sie einer Lehrerin, die im Hof die Tische für ein Schulfest richtet. Auch die Frau wird hektisch. Statt selbst nach dem Rechten zu sehen, macht sie sich auf die Suche nach dem Schulsozialarbeiter.

So, und mit drohend schwingenden Musikvibes unterlegt, beginnt Marlon, die neueste Tatort-Folge. Würde die Handlung in den USA spielen, man würde mit Waffengewalt und Amoklauf rechnen. Im deutschen Ludwigshafen jedoch wird der neunjährige Marlon (Lucas Herzog) kurz darauf mit gebrochenem Genick am Fuß einer Schultreppe gefunden. Er wurde gestoßen – von wem?

Viele Verdächtige

Dafür gibt es eine ganze Reihe von Verdächtigen, stellen die Kommissarinnen Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Johanna Stern (Lisa Bitter) in der Folge fest. Marlon nämlich war ein aggressiver Schüler, ein zorniges, sich prügelndes Kind, mit dem Erwachsene wie Gleichaltrige nicht zurechtkamen. Da ist der Vater der Klassenkollegin, der ihn aus der Schule entfernen lassen wollte, da ist der Schuldirektor, die ihn vom Fest ausschloss, auf das er sich lang vorbereitet hatte. Da ist die Mutter, die ihn ratlos im Zimmer einschloss, wenn er Wutanfälle hatte, und der Vater, der sich dann entzog.

Im Zuge der Ermittlungen stoßen die Polizistinnen auf viel bewusstes Wegschauen und auf akute Ressourcenknappheit im deutschen Schulsystem. Wer sich am Ende als Schuldiger entpuppt, ist insofern nicht ganz überraschend. Eine Frage jedoch wird während der eineinhalb Stunden nicht gestellt: warum Marlon eigentlich so schrecklich wütend war. (Irene Brickner, 7.5.2022)