Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat, von den dramatischen Ereignissen überschattet, der internationalen Isolierung des seit zwölf Jahren von Viktor Orbán dominierten Ungarn einen unerwartet starken Auftrieb verliehen. Es geht natürlich zuerst um die Folgen für die persönliche Stellung des ungarischen Ministerpräsidenten, der knapp drei Wochen vor dem russischen Überfall ein herzliches persönliches Gespräch mit dem Diktator im Kreml geführt und auch seitdem mit keinen Wort Wladimir Putin kritisiert hat.

Dagegen zählte er in seiner Siegesrede nach der Wahl den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj unter den ausländischen Gegnern auf, und ins Budapester Außenministerium wurde nicht etwa der russische Botschafter wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in Butscha und in anderen ukrainischen Städten zum Protest einberufen, sondern die ukrainische Botschafterin wegen ihrer kritischen Worte über die offizielle Gleichgültigkeit und demonstrative Distanz zum Nato-Grundkonsens.
Orbáns Ungarn wird in der letzten Nummer der Berliner Monatsschrift Blätter für deutsche und internationale Politik nicht mehr als bloßer Störenfried Europas, sondern als "Putins Statthalterregime, ein EU- und Nato-Mitglied als trojanisches Pferd in den westlichen Bündnissen" bezeichnet. Die angesehenen Autoren (die Politikwissenschafter Claus Leggewie und Ireneusz Pawel Karolewski) betrachten Ungarn als Basis für geheimdienstliche Aktivitäten Russlands in der Region, während zahlreiche andere Länder russische Geheimdienstler ausgewiesen haben. Auch sehen sie zu Recht die regimenahen Medien als "den verlängerten Arm der russischen Propaganda und Desinformation in EU und Nato". Der ungarische Außenminister Peter Szijjártó, Träger der höchsten russischen Auszeichnung für Ausländer, und Sergej Lawrow umarmen einander bei ihren häufigen Treffen. Putin und Orbán sind noch nicht so weit, aber sie stoßen immerhin mit Sekt in Corona-bedingter Entfernung auch zuletzt in Moskau auf das Gelingen ihrer Zusammenarbeit an.
Weniger zufrieden kann Orbán mit der nahezu totalen Isolierung seiner Regierung in der EU sein. Der neue Rechtsstaatsmechanismus wird unaufhaltsam als verspätete Antwort auf die systematische Korruption seines Regimes zur Kürzung der massiven Transfers aus der EU nach Ungarn führen. Seine politischen Freunde, Janez Janša in Slowenien und Marine Le Pen in Frankreich (unterstützt mit einem Kredit von zehn Millionen Euro durch eine ungarische Staatsbank), haben die Wahlen verloren. In Folge des Ukraine-Krieges entstanden sichtbare Risse in der Warschau-Budapest-Achse gegen die EU. Sogar der starke Mann Polens, Jarosław Kaczyński, Chef der Regierungspartei PiS, hatte Orbáns neutrale Haltung bezüglich der Hilfe für die Ukraine kritisiert. In den Beziehungen zu den beiden anderen Visegrád-Partnern, der Slowakei und Tschechien, gibt es große außenpolitische Gegensätze, vor allem wegen des Verhältnisses zu Russland.
Bei der Abwehr der Folgen der verschärften Wirtschafts- und Energiekrise kann der international isolierte und moralisch diskreditierte Herrscher Ungarns vom Westen weder Verständnis noch Hilfe erwarten. (Paul Lendvai, 7.5.2022)