Auf lediglich 33 Quadratmetern sollen Menschen möglichst energieautark leben, so das Konzept des Unternehmens Wohnwagon.

Foto: Daniel Zangerl/Löwenzahn Verlag

Peter Ott ist stolz auf sein Haus. Einerseits weil es eines der wenigen kurz vor der Wiener Stadtgrenze in Langenzersdorf ist, deren Dach mit Photovoltaikmodulen vollgepflastert ist. 50 Module hängen dort – genug, um damit 80 Prozent seines Stromverbrauchs zu decken. Andererseits weil er die Anlage zur Speicherung seines Solarstroms größtenteils selbst zusammengebaut hat. Ott führt in den Keller seines Hauses, zu einem Kasten, der mit Akkus in unterschiedlichsten Farben gefüllt ist. "Die Speicherbatterie habe ich aus alten Laptop-Akkus aufgebaut", sagt Ott. Damit soll der PV-Strom zu Mittag, wenn die Sonne am meisten scheint, bis zum Abend und für die Nacht gespeichert werden. Sein Ziel: künftig weitgehend energieautark zu sein. "Die Zeiten billigen Stroms sind vorbei", sagt er.

Manch andere Haus- und Wohnungsbesitzer in Österreich machen sich anlässlich der aktuell stark steigenden Preise für Gas und Strom ähnliche Gedanken: Wie lässt sich die eigene Energieversorgung umstellen? Und wäre es möglich, sich sogar weitgehend selbst mit Energie zu versorgen?

Unabhängig werden

"Erst wenn es die Leute im Geldbörsel spüren, kommt etwas in die Gänge", sagt Ott. Dabei hätte man schon vor zwanzig Jahren mit der Umstellung beginnen können. Dass Haushalte künftig mehr Energie selbst erzeugen, teilen und speichern, ist für ihn die Zukunft, um Energie nicht nur günstiger, sondern auch nachhaltiger zu machen.

Grob bedeutet Energieautarkie, von externen Energielieferanten unabhängig zu sein und Energie vor Ort, dort, wo sie gebraucht wird, zu erzeugen. Je nachdem, wovon die Rede ist, können entweder Haushalte oder Gemeinden oder sogar ganze Staaten versuchen, energieautark zu werden. Österreich muss vor allem im Winter Strom aus dem Ausland importieren, ebenso Öl und Gas zum Heizen und Diesel für die Tankstellen. Das Land ist also weit davon entfernt, autark zu sein. Gleichzeitig will das Burgenland schon bis 2030 energieautark werden, ebenso einige Gemeinden wie etwa Güssing im Burgenland, Kapelln in Niederösterreich sowie Murau und Mureck in der Steiermark. An das Stromnetz sind aber weiterhin alle Orte angeschlossen – und werden es wohl auch Zukunft sein.

Noch ist Peter Otts Haus in Langenzersdorf eines der wenigen in der Umgebung, auf dem PV-Module montiert sind.
Foto: Jakob Pallinger

Viel Energie für Wärme

Wer sich allein mit seinem Haus selbst mit Energie versorgen will, stößt schnell an Grenzen, wie Ott weiß. Vor allem im Winter reiche seine PV-Anlage auf dem Dach nicht, um damit Herdplatten, Waschmaschine oder Geschirrspüler zu betreiben. Auch deshalb bezieht Ott Strom nach wie vor aus dem öffentlichen Netz. Trotzdem sei es keine Kunst, sich mit Strom zu hundert Prozent selbst zu versorgen, sagt er. Denn dieser mache meist nur rund ein Viertel des Energiebedarfs eines Hauses aus. Drei Viertel der Energie verbraucht jeder im Haus oder der Wohnung durchschnittlich zum Heizen und für Warmwasser.

Neben seiner Speicherbatterie hat Ott deshalb vor einigen Jahren einen Lagerraum für Pellets sowie einen Pelletofen aufgestellt. Die Pellets beziehe er von einer Firma aus Amstetten, sein Vorrat reiche, um mehr als ein Jahr damit zu heizen. Zusätzlich experimentiert er mit einer Bioethanolanlage, für die er Obstabfälle aus der Küche und von der Obsternte verwendet und die pro Tag ungefähr einen Liter Reinethanol erzeugt. Diese Menge ist überschaubar: Im Frühjahr habe er damit sein Glashaus einige Tage lang beheizen können, sagt Ott.

Dafür, dass alle Haushalte in Österreich (nachhaltig) mit Pellets heizen, reicht das Material aber bei weitem nicht. Und Versuche mit selbstgebauten Speicherbatterien oder Ethanolanlagen können bei fehlender Fachkenntnis auch gefährlich werden. Wer mehr eigenen Strom beim Haus oder bei der Wohnung erzeugen will, ist deshalb meist von einem der derzeit vielfach nachgefragten Installationsbetriebe abhängig – und muss auch mehr Geld in die Hand nehmen.

Peter Ott experimentiert mit seiner selbstgebauten Bioethanolanlage im Keller seines Hauses.
Foto: Jakob Pallinger

Nicht alles lokal abdecken

Aber ist der Fokus auf Energieautarkie und dezentrale Energieversorgung sinnvoll? "Das übergeordnete Ziel ist es, unsere Energieversorgung CO2-neutral zu machen", sagt Wolfgang Hribernik, Leiter des Center for Energy am Austrian Institute of Technology, im STANDARD-Gespräch. Die Energie, die wir für Wärme, Strom oder unsere Mobilität brauchen, werden wir aber nicht lokal abdecken können.

Zudem mache es volkswirtschaftlich wenig Sinn, wenn jedes Land, jede Gemeinde oder jeder Haushalt versucht, die eigene Versorgung abzudecken, da dies mit einem weit größeren Aufwand und Ressourcenverbrauch und einer schlechteren Versorgungssicherheit im Vergleich zu einer integrierten und gut ausgebauten internationalen Netzinfrastruktur verbunden sei. Eine dezentrale Erzeugung könne lediglich einen Beitrag leisten, aber kein Ersatz bei der generellen Energieversorgung sein.

Der Traum von der Unabhängigkeit

Unabhängig davon erlebt der Traum vom energieautarken Leben gerade einen Boom. Davon profitieren Menschen wie Theresa Mai. Sie hat auf einem Sessel in ihrem lichtdurchfluteten und vorrangig mit Holz ausgestatteten Büro Platz genommen. Es liegt im Obergeschoß des alten Gutensteiner Hofs in der rund 1200 Einwohner zählenden Gemeinde Gutenstein in Niederösterreich. "Viele Menschen sehnen sich danach, ein selbstbestimmtes, unabhängiges Leben führen", sagt Mai. "Selbstbestimmt" ist ein Wort, das sie gerne verwendet. Es bedeute, nicht nur Konsument im Haus zu sein, sondern mitzubestimmen, wie wir wohnen wollen und welche Energie wir woher beziehen.

Ein selbstbestimmtes Leben kommt laut Mai mit lediglich 33 Quadratmetern aus. So groß ist die Innenfläche der meisten ihrer Wohnwagons, die sie seit einigen Jahren mit dem gleichnamigen, von ihr mitgegründeten Unternehmen in Gutenstein produziert. Vor allem seit der Pandemie und den hohen Bau- und Energiepreisen habe die Nachfrage nach den Wohnwagons angezogen. 150 davon habe ihr Unternehmen, das derzeit 43 Mitarbeiter beschäftigt, bisher verkauft, sagt Mai.

Die Nachfrage nach den selbstversorgenden Minihäusern habe in den vergangenen Jahren kräftig angezogen, sagt Theresa Mai.
Foto: Daniel Zangerl/Löwenzahn Verlag

Dünger aus dem Bioklo

Die Werkstatt liegt rund hundert Meter hinter dem Gutensteiner Hof. Im Inneren schrauben Mitarbeiter gerade an den Holzwänden der Wohnwagons, schneiden Bretter zurecht und legen PV-Module für die Montage bereit. Je nachdem, wie autark Kunden in ihrem künftigen Minihaus leben wollten, statte man die dieses entsprechend aus, sagt Mai.

Strom kommt dann etwa von der PV-Anlage auf dem Dach, Wärme von einer Holzheizung im Inneren, Wasser von benutztem Wasser aus Dusche und Abwasch, das über Pflanzen auf dem Dach wieder gereinigt wird, und Dünger aus der Biotoilette, die flüssige und feste Ausscheidungen trennt. Die Kosten eines solchen Wohnwagons liegen je nach Ausstattung zwischen 120.000 und 140.000 Euro. Am Ende müssen die Wagons auf gewidmetem Baugrund stehen.

Kann das Leben im energieautarken Tiny House die Zukunft sein, sich von steigenden Energiepreisen zu befreien und nachhaltiger zu leben? Wohl nur für jene, denen die Wohnwagons tatsächlich ins Lebenskonzept passen und die dafür auch das notwendige Geld zur Verfügung haben.

Autarke Wohngebiete

Mai geht es ohnehin um mehr als nur um die Wohnwagons. Sie will einen gesellschaftlichen Wandel und größere autarke Wohngebiete vorantreiben, in denen die Versorgung mit Energie, Lebensmitteln und Produkten kleinstrukturierter ist und in denen sich Bewohner regelmäßig treffen und austauschen können. "Die Frage ist, wie viel Energie wir wirklich zum Leben brauchen und ob wir uns nicht wieder mehr auf die wesentlichen Dinge konzentrieren sollten, anstatt immer mehr Schrott anzuschaffen", sagt Mai, die im Vorjahr das Buch "Wie wir leben könnten" veröffentlicht hat.

In der Werkstatt in Gutenstein setzen Mitarbeiter die Wagons zusammen.
Foto: Daniel Zangerl/Löwenzahn Verlag

Auch Peter Ott glaubt, dass es bei der Energieautarkie nicht um die neue PV-Anlage oder das neue E-Auto, sondern um das Ändern aller Lebensgewohnheiten und eine neue kommunale Gemeinschaft geht. "Es hat keinen Sinn, mich nur als Einzelperson autark zu machen", sagt er. Letztlich sei die Energiewende eine Solidarleistung, bei der Energie zunehmend auf kommunaler Ebene zwischen Produzenten und Verbrauchern ausgetauscht werden müsse. Beispielsweise könne ein Haushalt mithilfe einer PV-Anlage Strom produzieren und ein anderer den überschüssigen Strom in der eigenen Batterie speichern.

Energiegemeinschaften gründen

Rechtlich ist das Konzept bereits in Form der sogenannten Energiegemeinschaften verankert. "Für Bürger können Energiegemeinschaften ein zusätzlicher finanzieller und ideeller Anreiz sein, Energie selbst zu produzieren", sagt Energieexperte Wolfgang Hribernik. Zwar sei die Gründung einer Energiegemeinschaft in der Praxis derzeit noch mit viel Eigeninitiative verbunden. Doch denke man diese Gemeinschaften in Zukunft weiter, hätten sie viel Potenzial: So könnte überschüssiger Strom laut Hribernik etwa in ein Mobilitätskonto einfließen, das für Carsharing oder öffentliche Verkehrsmittel genutzt werden kann. Zudem könnten Energiegemeinschaften künftig besser dabei helfen, fehlende Netzinfrastruktur auszugleichen und regionale Differenzen beim Energieverbrauch und bei der Erzeugung zu glätten.

Um erneuerbare Energie – vor allem aus PV-Anlagen – nicht nur über den Tag, sondern auch saisonal, das heißt etwa für den Winter zu speichern, müsse Strom auch in Wasserstoff umgewandelt werden. "Das wird auf lokaler Ebene schwierig werden", sagt Hribernik. Es brauche in Zukunft daher vor allem eine möglichst gute Integration von dezentraler und zentraler Energieversorgung und Verbundnetzen.

Menschen vernetzen

Peter Ott ist bisher noch keiner Energiegemeinschaft beigetreten. Für ihn sei der Prozess mit zu viel Aufwand verbunden. Stattdessen verkauft er seinen überschüssigen Strom über die Plattform eFriends, die kleinere Stromproduzenten und Verbraucher in Österreich miteinander vernetzt. Auf seinem Computer unter dem Gartenhaus schaut er durch die Statistiken seines Energiehandels: Manche seiner Abnehmer befinden sich in Langenzersdorf, andere quer über Österreich verteilt. Den Verkaufspreis des Stroms kann er selbst festlegen. Am Ende würden sowohl Erzeuger als auch Abnehmer von dem privaten Energiehandel profitieren, sagt er.

Gleich energieautark werden müsse man jedenfalls nicht. "Es ist schon ein erster Schritt, sich eine PV-Anlage zuzulegen", sagt Ott. Er ist zuversichtlich, dass auch auf den Dächer seiner Nachbarn in Langenzersdorf bald mehr Paneele zu sehen sein werden. "Wissen Sie, was die größte Motivation ist, eine PV-Anlage zu montieren?", fragt er. "Wenn auch der Nachbar eine hat." (Jakob Pallinger, 15.5.2022)