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Wer immer zuerst andere zufriedenstellen möchte, läuft Gefahr, von sich selbst enttäuscht zu sein, weil nichts weitergeht.

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"Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, rund sechs Stunden unseres Wachzustands sind von Gewohnheiten geprägt", sagt Eva Gruber, Habit-Coach und Mental-Fitness-Trainerin für Unternehmer, Führungskräfte und Teams. Gemeint sind damit nicht nur die täglichen Routinen wie der Kaffee und das Duschen nach dem Aufstehen, sondern auch mentale Gewohnheiten: Wie reagiert jemand, wenn er gestresst, nervös ist oder unter Druck steht. Und rund 40 Prozent unseres Verhaltens sind uns nicht bewusst. "Die Frage ist, welche Gewohnheiten sind förderlich und welche ungesund."

Als mentale Selbstsabotage bezeichnet Gruber dabei die negativen, hindernden Gedanken. Die Neurowissenschaft, ergänzt sie, kenne zehn verschiedene Typologien der mentalen Selbstsabotage, die in unterschiedlicher Ausprägung vorhanden sind und dementsprechend das Verhalten beeinflussen. Je nachdem, welcher Typ dominiert, wirken sich diese Prägungen auf das Wohlbefinden, die Beziehungen oder auch das Erbringen von Höchstleistungen aus.

Sich selbst im Weg stehen

Negative Auswirkung auf der Beziehungsebene nennt Gruber beispielsweise eine starke rationale Ausprägung bei Führungskräften. "Wenn nur eine vernünftige Entscheidung auch eine gute Entscheidung ist, zählen nur Daten und Fakten. Das Gespür für andere, die Empathie bleibt dabei aber auf der Strecke." Weil Entscheidungen wie ein Hammer getroffen werden, würden überrationale Managerinnen und Manager sehr schnell Probleme in den zwischenmenschlichen Beziehungen bekommen. Und auch aus der Perspektive der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sei es schwieriger, eine gute Beziehung zu einem überrationalen Chef aufrechtzuhalten, weil sie sich nicht wahrgenommen fühlen.

Unter Führungskräften sei aber auch der Typus "Controller" häufig stark ausgeprägt. Controller-Typen meinen, sie müssten alles in der Hand haben, nur so könne das Beste gelingen. Dadurch würden sie aber andere im Team vom Wachsen und Lernen abhalten und ihnen oft auch die Basis für ihre Selbstsicherheit nehmen. "Dadurch lassen sich zwar kleine Hürden meistern, aber die großen nicht, denn irgendwann geben die anderen innerlich auf."

Auch um Unterstützung zu bitten sei bei vielen Führungskräften oft schwach ausgeprägt. Denn Unterstützung werde oft als Manko gesehen. "Unterstützung brauchen die anderen, ich aber nicht, ich schaffe das allein", sagt sie als Coach für Gewohnheiten. Dabei sollte Hilfe in Anspruch zu nehmen nicht als Tabu, sondern als eine Fähigkeit gesehen werden, ergänzt sie.

Allen gefallen wollen

Vor allem unter weiblichen Führungskräften oder Mitarbeitenden der HR-Abteilungen sei nicht selten die Ausprägung des People-Pleaser zu finden. "Weil sie gemocht werden wollen, versuchen Leute mit dieser Tendenz zuerst die anderen zufriedenzustellen." Schwierig sei das deshalb, weil ständig für andere losgelaufen werde, die Person selbst aber auf der Strecke bleibe und irgendwann das Gegenüber es als selbstverständlich annimmt. "Wer einen People-Pleaser in sich hat, ist dann enttäuscht, dass von den anderen nichts mehr zurückkommt und für sich selbst nichts weitergeht."

Die Anforderungen an Führungskräfte seien nach zwei Jahren Corona-Pandemie enorm. "Einerseits sind die Leute erschöpft, andererseits wird jetzt auch wieder ordentlich gefordert." Den Fokus auf die mentale Fitness zu legen sei für Gruber dabei essenziell. "Besonders Führungskräfte, die viele ‚Hüte‘ aufhaben und gut vorankommen möchten, müssen mental fit sein und bleiben."

Denn Höchstleistungen zu erbringen heiße nicht noch schneller zu laufen, Höchstleistung heißt: "Ich kann auch in Hochphasen von Wut, Stress, Ärger gute Leistungen erbringen und die richtigen Entscheidungen treffen, weil ich den Fokus bewahren kann. Das schafft man durch mentale Fitness und gute Gewohnheiten." (Gudrun Ostermann, 13.5.2022)