Die Fichte blüht eigentlich nur alle paar Jahre, der Zyklus wird immer kürzer. Die starke Pollenproduktion ist als gelber Staub sichtbar.

Foto: Naturschutzbund

Wien – Der gelbe Staub ist wieder da. Doch diesmal sind es keine sandigen Grüße aus der fernen Sahara, wie zuletzt im März. Diesmal kommt der Staub aus dem Wald, genauer aus dem Nadelwald. Die Fichtenblüte hat eingesetzt, der Wind treibt Wolken aus Pollen über das Land. Experten rechnen mit einem Rekordjahr. In den kommenden Tagen und Wochen wird sich gelber Staub wieder auf glatten Oberflächen wie Autos oder Fensterbänken bemerkbar machen. Wer die Fenster offen hält, sollte genug Staubsaugerbeutel vorrätig haben.

Die gute Nachricht für Menschen mit Pollenallergie, die ohnehin schon genug leiden, weil heuer viele Pflanzen gleichzeitig blühen: Die Fichtenpollen sind harmlos. Die Masse des Feinstaubs kann allerdings zu Irritationen der Atemwege und zu brennenden Augen führen.

Mehrjährige Abstände

Dass der Wald blüht, ist keine Besonderheit, dass er schon wieder mit einer derartigen Intensität blüht, schon. Eigentlich sollten heimische Waldbäume nur in mehrjährigen Abständen zum Massenblühen ansetzen. Bei Fichten war das aber erst vor zwei Jahren der Fall, 2020 galt als Rekordjahr. Auch 2018 blühte der Fichtenwald, wenngleich nicht ganz so intensiv.

"In der traditionellen Forstwirtschaftslehre wurde als Richtzahl bisher jedes siebente Jahr als durchschnittliches Mastjahr eingeschätzt, von anderer Seite – unter Hinweis auf Sonnenfleckenzyklen – jedes elfte Jahr. In manchen Regionen war es bis vor Jahrzehnten jedes vierte Jahr", sagt Johannes Gepp, der Präsident des steirischen Naturschutzbundes.

Zunehmende Temperaturen

Der Ökologe ist überzeugt davon, dass "das Stressblühen und das darauffolgende Massenfruchten unserer Bäume eine direkte Reaktion auf den Klimawandel" ist. Überblicke man die Jahrzehnte, so korrelierten die Mastjahre ganz offensichtlich mit dem Klimawandel, also mit den zunehmenden Temperaturen. Möglicherweise seien auch Trockenperioden entscheidend, da nach dem Absterben mancher Bäume ein Nachbesatz für die Natur die geeignetste Antwort sei.

250.000 Blüten an einem Baum

Auch bei anderen Bäumen gibt es heuer wieder ein sogenanntes Mastjahr mit reichen Blüten. Ahorne, Ulmen, Weiden und Zitterpappeln und Sträucher wie Haseln, Schlehen und Traubenkirschen trugen eine enorme Blütenfülle. An einem einzigen Feldahorn wurde laut Naturschutzbund eine Viertelmillion Blüten gezählt, an einer Fichte 150.000 männliche Blütenstände.

Pollen werden in den Mastjahren also in riesigen Mengen ausgeschüttet und bleiben an allem haften, um auf weibliche Blütenstände zu treffen. Kommt es zur Befruchtung, werden bei Fichten Zapfen gebildet, die mit den Keimen zu Boden fallen und für Baumnachwuchs sorgen.

Anfälliger für Borkenkäfer

Experten beobachten die immer kürzer werdenden Abstände der Waldblüte mit Sorge. Denn damit verkürzen sich auch die Erholungsphasen, Blühen ist für die Bäume ein großer Energieaufwand. Geschwächte Bäume sind in der Folge viel anfälliger für Schädlinge wie den Borkenkäfer.

Auch für andere Tiere hat eine Häufung von übermäßigem Blühen Konsequenzen: Wenn quasi ununterbrochen mehr Samen und Früchte freigesetzt werden, vermehren sich Tiere, die davon leben, also Vögel, Raupen, Käfer, Mäuse, aber auch Wild. Rehe futtern Triebe, Wildschweine fressen sich mit Eicheln an, Mäuse lagern Bucheckern für den Winter ein, Häher vergraben die Samen der Zirben – und allesamt vermehren sich übermäßig. Eine natürliche Auslese gibt es erst wieder nach Nichtmastjahren.

Fichte ist Platzhirsch in Österreich

Rund die Hälfte Österreichs (48 Prozent des Staatsgebiets) ist mit Wald bedeckt. Laut WWF wachsen hierzulande 65 verschiedene Baumarten, die Fichte ist mit einem Anteil von 57 Prozent der Platzhirsch unter den Bäumen im Wald. Fichten sind Spätstarter, erst frühestens nach zehn Jahren blühen die Flachwurzler. Die Bäume tragen männliche und weibliche Blüten, die Zapfen entstehen aus den weiblichen Blütenständen. Zweithäufigster Waldbaum ist die Buche mit einem Anteil von zwölf Prozent. 80 Prozent aller Bäume in Österreich sind Nadelbäume. (Michael Simoner, 8.5.2022)