
Altkanzler Sebastian Kurz.
Der zurückgetretene Bundeskanzler und ÖVP-Obmann Sebastian Kurz sucht wieder vermehrt die Öffentlichkeit: Fünf Monate nach seinem Rückzug hat er nun sein erstes Interview einer Boulevardzeitung gegeben – knapp eine Woche bevor er am 14. Mai am ÖVP-Bundesparteitag teilnimmt.
Im Gespräch mit der "Krone am Sonntag" schließt er sein Comeback, über das zuletzt in diversen Medien und auf Social Media spekuliert worden ist, zum wiederholten Mal aus: "Das gilt für immer. Eine Rückkehr schließe ich dauerhaft aus." Er trete nicht am Bundesparteitag auf, um Kanzler Karl Nehammer die Show zu stehlen, sondern um ihn und das neue Team zu unterstützen, so Kurz.
Ermittlungen im ÖVP-Umfeld
Zentraler Programmpunkt des 40. außerordentlichen ÖVP-Bundesparteitags am Samstag in Graz ist die Wahl Nehammers zum neuen ÖVP-Chef. Die Volkspartei hat derzeit einen schweren Stand. Sie ist in den vergangenen Monaten in den Meinungsumfragen abgestürzt und liegt derzeit hinter der SPÖ. Rund um den parlamentarischen Untersuchungsausschuss im Bund und die Vorarlberger Wirtschaftsbundaffäre sind die Konservativen massiv unter Druck geraten. Insgesamt ermittelt die Justiz gegen 18 ehemalige oder noch immer amtierende ÖVP-Politiker oder der Partei nahestehende Personen. Auch gegen Kurz.
Dieser hatte sich im Zuge der Inseratenaffäre rund um manipulierte Meinungsumfragen im Herbst aus allen politischen Ämtern zurückgezogen. Darauf angesprochen, räumt Kurz im "Krone"-Interview ein, "richtige Entscheidungen und falsche Entscheidungen" getroffen zu haben. "Aber ich habe mir strafrechtlich nie etwas zuschulden kommen lassen", beteuert der Ex-Kanzler neuerlich.
Kurz: Habe kein Problem mit Mitterlehner
Zu einem möglichen Wiedersehen mit dem von ihm verdrängten früheren ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner sagt Kurz, dass er damit kein Problem habe. Die Absicht, sich zu entschuldigen, verneint Kurz allerdings mit den Worten: "Wir sind uns wechselseitig wenig schuldig geblieben." Zur Erinnerung: Aus publik gewordenen Chats des Kanzlers geht hervor, dass Mitterlehner darin unter anderem von Kurz als "Arsch" bezeichnet wurde. "In meinem Leben hat Reinhold Mitterlehner nicht die Relevanz, die ich anscheinend in seinem habe", sagte Kurz der "Krone" über seinen Vorgänger.
Kurz, der im Vorjahr auch Vater wurde, hat indes eine Firma zur Verwaltung seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten gegründet und einen neuen Arbeitgeber: den Milliardär Peter Thiel, einen Freund des früheren US-Präsidenten Donald Trump, der nun massiv rechte Kandidaten für die US-Kongresswahlen im Herbst unterstützt. Thiel zählt zu den einflussreichsten Investoren im Silicon Valley – einem Ort, den Kurz im "Krone"-Interview für seine Vielfalt lobt. "Ich habe in meiner Zeit als Außenminister, in der ich auf der ganzen Welt unterwegs war, ein starkes Interesse dafür entwickelt, wie vielfältig unsere Welt ist, wie unterschiedlich die Kulturen sind, wie an einem Ort, zum Beispiel im Silicon Valley, T-Shirt und Turnschuhe die Standardkleidung sind und es anderswo als Fauxpas empfunden wird, keine Krawatte zu tragen."
Innenpolitik spielt für Kurz offenbar keine Rolle mehr
Kurz, der bei seiner Rücktrittsrede im Dezember wissen ließ, dass die Familie fortan im Zentrum stehen soll, gab auch an, derzeit an rund 20 Tagen im Monat unterwegs zu sein: "Hauptsächlich im Nahen Osten und in den USA." Der Sohn und seine Freundin sollen ihn dabei aber nun häufiger begleiten, so der ehemalige Kanzler, der an diesem Muttertag auch seine Bewunderung für die Frauen in seinem Leben anmerkte. Kurz erwähnt auch seine Mutter in dem Interview – und das nicht zum ersten Mal: Im Vorjahr rund um diese Jahreszeit hatte Kurz, damals noch Kanzler, im "Krone"-Interview kundgetan, dass seine Mutter "extrem traurig und besorgt" darüber sei, wie mit ihrem Sohn im Zusammenhang mit den Vorwürfen umgegangen werde.
Nun spielt die Innenpolitik nach Kurz' eigenen Angaben offenbar keine Rolle mehr in seinem Leben. Er sei – wie in fast allen Fragen – einer Meinung mit Wolfgang Schüssel: "Es braucht keine Zurufe vom Muppet-Balkon", so Kurz, der der ÖVP keine Ratschläge erteilen will. In der internationalen Arena bleibt Kurz aber offenbar angesichts der Ukraine-Kriegs aktiv: "Ich bin immer wieder in Kontakt mit Selenskyj, den Klitschko-Brüdern und anderen in der Ukraine und auch mit Vertretern der russischen Seite", schildert Kurz der "Krone" – zu welchem Zweck, lässt der ehemalige Kanzler mit dem aktuellen Jobtitel "Global Strategist" bei Thiel Capital aus. (Flora Mory, 8.5.2022)