Dienstag ist der neue Montag, lautet ein mittlerweile beliebtes Bonmot für alle, die sich mit dem Auto vom Süden her in die Hauptstadt stauen. Der Grund: Homeoffice am Montag. Was vor drei Jahren noch undenkbar war, hat sich etabliert: Bürogeher sind zu hybriden Wesen geworden, die zu Hause arbeiten und jetzt, in entspannterer Pandemiesituation, auch wieder ins Büro gehen. Oder tageweise dorthin beordert werden. Homeoffice ist mittlerweile einer der meistgesuchten Begriffe in Stellenanzeigen geworden, und fünf Tage Bürozwang führt Umfragen zufolge zu Kündigungsgedanken. Oder zu einem Mangel an Bewerbungen.

Arbeiten abseits des fixen 7,5-Stunden-Tages im Büro ist zum Meilenstein der neuen Arbeitswelt geworden. Experimente mit Vier-Tage-Wochen vom Handwerk bis zum IT-Dienstleister haben sich diesem Aufbruch angeschlossen. Der Hintergrund: der Wunsch nach Arbeitszeitverkürzung bei gleichzeitig wachsendem Mangel an Fach- und Arbeitskräften. Das bei Vollbeschäftigung in den meisten Bundesländern.

Schon jetzt klagen Unternehmen fast aller Branchen oder können ihr Geschäft aufgrund fehlenden Personals nicht mehr so machen, wie sie eigentlich könnten. Und das sind erst die Vorboten. Denn 2030 werden 20 Prozent der Bevölkerung über 65 Jahre alt sein. 2050 sogar über 30 Prozent. Das heißt: Hunderttausende stehen für Erwerbsarbeit so nicht mehr zur Verfügung. Damit verschiebt sich die Macht klar auf die Seite der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Und die wollen Flexibilität.

Bürogeher sind zu hybriden Wesen geworden.
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Neue Arbeitskultur

Arbeitsminister Martin Kocher – damals recht frisch im Amt – wusste das, als im Frühling 2021 das Homeoffice-Gesetz in Kraft trat und er flugs die Arbeit an einem "echten" Remote-Work-Gesetz ankündigte. Anfang 2023 sollte der Entwurf vorliegen. Allerdings scheint bei diesem zentralen Thema alles zu ruhen. Das ist eine Blockade. Denn mit Homeoffice meint das österreichische Gesetz derzeit nur das Zuhause oder einen fixen Ort. Arbeiten von überall ist da nicht mitgedacht. Eine neue Arbeitskultur, die auf Vertrauen basiert statt auf der Erfüllung der Vorschriften der Arbeitszeit- und -pausenerfassung, erst recht nicht. Remote Work im Ausland bleibt damit ein Steuer- und Sozialversicherungsproblem. Versicherungsschutz beim Arbeiten von überall ebenso. Echte Flexibilität spießt sich beim Weiterschreiben der alten Dienstpläne, der Ruhezeiten, der Überstunden- und Feiertagsregelungen und der Definition der Leistung via Arbeitszeit. Das erzwingt entweder Starrheit statt flexiblen Entgegenkommens an die Wünsche der Arbeitnehmer oder lässt risikoreiche Graubereiche zwischen Homeoffice-Vereinbarung und mobilem Arbeiten wachsen.

Faktisch befeuert das auch den Fachkräftemangel: Wem die Bedingungen nicht passen, der kommt eben nicht. Oder nur für höchstens 20 Stunden.

Wenn die Sozialpartner jetzt nicht schnell und offen verhandeln, wie der weitere Meilenstein in der neuen Arbeitswelt aussehen soll, und nach europäischer Harmonisierung streben, dann erweisen sie dem gesamten System einen Bärendienst. Sich bei einzelnen Punkten, etwa der Arbeitszeiterfassung, auf den Arbeitnehmerschutz zu berufen ist zu wenig. Das Bild der Arbeitenden als lediglich schutz- und anweisungsbedürftig ist von gestern. Leistung nur in Zeiteinheiten zu messen ebenso. (Karin Bauer, 9.5.2022)