Ob die Angleichung der Kündigungsfristen auch für Arbeiter in Hotellerie und Gastronomie gilt, war umstritten.

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Wenige Tage vor der Nationalratswahl 2017 beschlossen SPÖ, FPÖ und Grüne "im freien Spiel der parlamentarischen Kräfte" ein Gesetzespaket, mit dem unter anderem die für Arbeiter geltenden Kündigungsregelungen an jene für Angestellte angeglichen werden sollten. Während Angestellte nur unter Einhaltung einer Frist von bis zu fünf Monaten gekündigt werden können, waren die Kündigungsfristen für Arbeiter bis zur Gesetzesnovelle deutlich kürzer. Aufgrund der Corona-Pandemie traten die neuen Regeln erst mit 1. Oktober 2021 in Kraft.

Ob die Angleichung der Kündigungsfristen auch für Arbeiter in Hotellerie und Gastronomie gilt, war seither aber umstritten. Denn die Neuregelung sah eine Ausnahme vor: In Branchen, in denen Saisonbetriebe überwiegen, können weiterhin kürzere Fristen vorgesehen werden.

Die Fachverbände von Hotellerie und Gastronomie der Wirtschaftskammer (WKO) beantragten beim Obersten Gerichtshof (OGH) deshalb die Feststellung, dass die im Kollektivvertrag vom 26. April 2019 vereinbarte (beidseitige) 14-tägige Kündigungsfrist auch nach dem Inkrafttreten der Novelle wirksam bleibt.

Die Fachverbände brachten hierzu vor, dass im Zeitraum von 2014 bis 2018 die Schwankung zwischen höchstem und niedrigstem Beschäftigungsstand in der Hotellerie und Gastronomie bei der Mehrzahl der Betriebe während des Jahres mehr als 33,33 Prozent betragen habe. Damit seien die Voraussetzungen für die kollektivvertragliche Abweichung von der Neuregelung erfüllt und kürzere Fristen möglich.

WKO misslang der Beweis

Der OGH folgte dieser Argumentation jedoch nicht (OGH 24.3.2022, 9 ObA 116/21f). Laut Arbeitsverfassungsgesetz arbeiten Saisonbetriebe entweder "nur zu bestimmten Jahreszeiten" oder "regelmäßig zu gewissen Zeiten des Jahres erheblich verstärkt". Zur ersten Gruppe gehörten etwa Moorbadbetriebe, bei denen die ganzjährige Beschäftigung von Arbeitnehmern witterungsbedingt nicht möglich sei.

Bei der zweiten Gruppe dürfe das erhöhte Arbeitsaufkommen nur zu bestimmten Zeiten (z. B. im Sommer und Winter) vorliegen und nicht den Normalzustand im Jahresbetrieb darstellen. Ein Anstieg des Beschäftigtenstandes um mindestens ein Drittel sei jedenfalls ausreichend.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund reichte für den OGH das Vorbringen der Antragsteller nicht aus, um in der Hotel- und Gastrobranche von einem "Überwiegen der Saisonbetriebe" auszugehen. Die dargelegte Schwankungsbreite des Beschäftigtenstandes sage nur aus, dass es bei der Mehrzahl der Betriebe während des Jahres zu erheblichen Änderungen des Personalstandes komme. Daraus gehe jedoch nicht hervor, dass der verstärkte Personalbedarf nicht den Normalzustand im Jahresbetrieb darstellte.

Rechtlich nicht bindend

Die Entscheidung des OGH ist zwar für allfällige Verfahren rechtlich nicht bindend, wird aber von den Gerichten wohl berücksichtigt werden. Es ist zu erwarten, dass Arbeitnehmer von Hotel- oder Gastronomiebetrieben auf Kündigungsentschädigung klagen werden, wenn ihr Arbeitgeber die Kündigungsfristen und -termine des Angestelltengesetzes nicht berücksichtigt. Dies gilt auch für bereits ausgesprochene Kündigungen, sofern der Anspruch noch nicht verfallen ist.

Kann allerdings der Arbeitgeber nachweisen, dass die vom OGH geforderten Voraussetzungen für Saisonbetriebe in der Branche tatsächlich erfüllt sind, wäre die Klage abzuweisen. Auf dem Prüfstand stehen jedenfalls auch die zahlreichen anderen Kollektivverträge, die von der Ausnahmeregel für Saisonbranchen Gebrauch machten. (Andreas Tinhofer, 8.5.2022)