Geldflüsse an die ÖVP stehen im Fokus der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA).

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Der Vorwurf wog schwer: Mehr als eine halbe Million Euro an Spenden seien für die Bundes-ÖVP für das Jahr 2017 "nicht zuordenbar" – das behauptete ein Hinweisgeber, der im Juni 2021 eine Sachverhaltsdarstellung eingebracht hat.

Laut seiner Darstellung wisse die ÖVP "laut internen Dokumenten angeblich selbst nicht, woher 558.096,72 Euro an Eingängen auf zwei verschiedenen Bankkonten stammten".

Besonders Eingänge auf einem Konto der Erste Bank seien laut dem Hinweisgeber hervorgestochen, weil sie rund um den Zeitpunkt jener SMS eingelangt seien, deretwegen gegen Ex-Finanzminister Gernot Blümel und Ex-Novomatic-Chef Harald Neumann ermittelt wird.

Dieser sprach von Problemen in Italien und einer Spende und wollte deshalb einen Termin bei Sebastian Kurz, den Blümel vermitteln sollte. Die WKStA vermutet Bestechung, beide bestreiten diesen Vorgang, und es gilt die Unschuldsvermutung.

Eine Spende der Novomatic an die ÖVP in diesem Zeitraum ist bisher auch nicht gefunden worden.

Deshalb stieß die Meldung des Hinweisgebers bei der WKStA offenbar auf Interesse. Sie hat einen ihrer Fachexperten auf die Sache angesetzt. Der kam in seinem Abschlussbericht allerdings zum Ergebnis, dass "alle größeren Spenden namentlich zugeordnet werden können". Und zwar obwohl in einer ÖVP-internen Liste "objektiv erkennbar" der Vermerk stehe, dass Spendenbeträge von über einer halben Million nicht zuordenbar seien.

Vorwürfe "nicht bestätigt"

Die Vorwürfe, dass im Juli 2017 über ein "zweites" Bankkonto bei der Erste Bank unbekannte Spendenzahlungen eingegangen seien, "können nicht bestätigt werden".

Die Schlussfolgerung des Fachexperten: Es müsse in der ÖVP-Buchhaltung damals im Juli 2017 zu internen Fehlbuchungen gekommen sein, bei Belegen sei die Erste Bank statt der RBI angegeben worden.

Der Fachexperte hatte in einem früheren Bericht auch eine Vermutung geäußert: Möglicherweise sei das "aus Versehen (Juli/Ferialpraktikant)" geschehen.

Der Hinweisgeber muss jedenfalls Zugang zu sensiblen Informationen haben oder gehabt haben, im Juli 2019 ist es auch zu einem Hack der Bundespartei sowie zu ersten Leaks wie etwa Namen von Großspendern gekommen.

Auf Nachfrage des Fachexperten – das ist im Hinweisgebersystem der WKStA auch bei anonymen Anzeigen möglich – hat der Hinweisgeber weitere Informationen geliefert. Anhand derer kam der Fachexperte dann auch zur Schlussfolgerung, dass die rund 500.000 Euro, die auch laut ÖVP-Vermerk "derzeit nicht zuordenbar" waren, dies sehr wohl seien. Denn diese Beträge seien, etwa bei Kreditkartenzahlungen, über einen Zahlungsdienstleister auf die Konten gekommen, und man könne doch annehmen, dass die Partei die Spendernamen von diesem Dienstleister erfahren habe oder die Namen zumindest erfragen könne.

Was der WKStA-Experte aber sehr wohl feststellt: Es habe "regelmäßig (täglich)" Spenden zwischen 3000 bis 3500 Euro gegeben, die aus den vorliegenden Unterlagen "nicht namentlich zugeordnet" werden können. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass da größere Spenden in Teilbeträgen gestückelt eingezahlt worden seien. Die Namen dieser Spender konnte der Experte den Unterlagen nicht entnehmen.

Rechenschaftsbericht fehlt

Wie die Spendenakquise im Wahlkampf darauf, im Herbst 2019, ablief und wie sich die Finanzen der ÖVP in diesem Jahr darstellten, weiß man noch immer nicht: Die Partei hat ihren Rechenschaftsbericht für das Jahr 2019 noch immer nicht abgegeben, sie arbeitet nach Rückfragen des Rechnungshofs immer noch an einer Letztfassung.

Grund dafür ist unter anderem die Affäre rund um den Wirtschaftsbund in Vorarlberg und dessen Inseratengeschäfte. Da ist die Frage, ob Zuwendungen des Wirtschaftsbundes als innerparteiliche Buchung oder als Spende einzustufen sind. Für die ÖVP ist jedenfalls klar: "Es handelt sich bei den Vorwürfen abermals um bösartige Unterstellungen, um die Volkspartei in ein schlechtes Licht zu rücken." (Renate Graber, Fabian Schmid, 8.5.2022)