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Ihre politische Karriere begann früh: Elisabeth Köstinger wurde in der Landjugend politisiert, dort war sie zunächst Landesleiterin für Kärnten, später Bundesleiterin der Organisation. 2009 zog sie für die ÖVP ins Europäische Parlament ein, wo sie sich rund um die Themen Landwirtschaft und ländlicher Raum engagierte.

Kurz' Vertraute

Mit dem innerparteilichen Aufstieg von Sebastian Kurz machte auch seine Vertraute Köstinger Karriere: 2017 zunächst als Generalsekretärin der Volkspartei. In dieser Funktion verantwortete sie die eklatante Überschreitung der erlaubten Wahlkampfkosten der Partei. Statt der erlaubten sieben Millionen gab die ÖVP im Nationalratswahlkampf 2017 bekanntlich fast 13 Millionen Euro aus. Köstinger hatte noch zwei Wochen vor dem Wahltermin versichert, dass die Grenze eingehalten würde.

Kurzzeit-Parlamentspräsidentin

Eine wenig rühmliche Episode war auch Köstingers kurzzeitiger Einsatz als Präsidentin des Nationalrats: Obwohl sie nach der Nationalratswahl 2017 als aussichtsreiche, fast fixe Kandidatin für einen Ministerinnenjob galt, nominierte die Volkspartei sie für das wichtige Amt – das "Warmhalten" im Parlamentspräsidium wurde von vielen als Respektlosigkeit gegenüber dem Hohen Haus empfunden. Die Unterstützung der Mandatarinnen und Mandatare fiel entsprechend mager aus: Nur 117 von 175 Abgeordneten wählten Köstinger, das war das schlechteste Ergebnis für das Amt in der Zweiten Republik.

Tatsächlich übte Köstinger das Amt dann nur 38 Tage lang aus: Sie wurde, wie allgemein erwartet, ins erste Regierungsteam von Kanzler Sebastian Kurz geholt. "Ich habe das Amt sehr ambitioniert verfolgt und habe mir die Entscheidung zu wechseln nicht leicht gemacht", sagte sie damals zum STANDARD. Ihr Nachfolger: Wolfgang Sobotka, der seitdem äußerst beharrlich im Präsidium bleibt.

Präsidentin blieb Köstinger dennoch, wenn auch in anderen Funktionen: So ist sie etwa Vizepräsidentin des Bauernbundes; 2014 wurde sie zur Präsidentin des Ökosozialen Forums Europa gewählt.

Keine großen Opfer in der Klimapolitik

Unter Kurz kümmerte sich Köstinger um die Themen Nachhaltigkeit und Tourismus, wobei sie als Bauernbündlerin stets die Interessen der Landwirte im Blick hatte. Im Umweltbereich bemühte sie sich um eine Klimapolitik, die Wirtschaft und Industrie keine großen Opfer abverlangte. Heftig kritisiert wurde eine Jubelmeldung ihres Ministeriums zum Rückgang der CO2-Emissionen im Jahr 2018: Was von Köstinger als "Trendwende" gefeiert wurde, war ein Einmaleffekt wegen eines außergewöhnlich milden Winters und der Wartung eines Hochofens.

In ihrer Zeit als Umweltministerin wollte Köstinger das "Ende der fossilen Energie" einläuten – ganz ohne Verbote, Steuern und Belastungen. Den Klimawandel nannte sie zu jener Zeit "die größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts" – was sich in der türkis-blauen Regierungslinie kaum niederschlug. Herzstück ihres klimapolitischen Engagements bildete die "Mission 2030", der – vielfach kritisierte – Klimafahrplan von ÖVP und FPÖ. Eine CO2-Bepreisung kam darin für die damalige Koalition nicht infrage. Mit der Sorge um das Klima, ging für Köstinger auch jene um die ländliche Bevölkerung einher. "Bei der Klimakrise und auch beim Finden von Lösungen ist ideologisches Denken hinderlich", sagte Köstinger im Juli des Vorjahres zum Kurier.

Neue Zuständigkeiten

Kurz behielt Köstinger auch beim Wechsel von Türkis-Blau zu Türkis-Grün in seinem Regierungsteam. Allerdings fielen die Umwelt- und Klimaschutzagenden bei den Verhandlungen den Grünen zu, das Ministerium der Kärntnerin wurde abgespeckt. Um den Verlust auszugleichen, wurde ihr Landwirtschaftsressort um Zuständigkeiten wie Telekommunikation, Post, Bergbau und Zivildienst angereichert – und als "Ministerium für den ländlichen Raum" vermarktet.

Als Landwirtschaftsministerin gab Köstinger stets an, für die "bäuerlichen Familienbetriebe" im Land zu kämpfen. Rückenwind bekam sie dabei von Bauernbund und der Landwirtschaftskammer. In ihre Amtszeit fiel unter anderem die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Diese nannte die gebürtige Kärntnerin einen Kompromiss zwischen Klimaschutz und guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.

Bei der Opposition und bei Tier- und Umweltschutzorganisationen sorgte ihr agrarpolitischer Kurs für wenig Verständnis. Erst vergangene Woche erntete Köstinger massive Kritik am geplanten Tierschutzgesetz. NGOs sprachen von einem "Totalversagen" und einer "Sauerei". Die Opposition vermisste zudem den grünen Anstrich in Köstingers Vorhaben in der Landwirtschaft.

Mit dem Start der türkis-grünen Regierung verlor Köstinger die Umweltagenden, die zu Leonore Gewessler (Grüne) wanderten, gewann aber andere Bereiche dazu: Die Ministerin war für die Telekom- und Postregulierung sowie den Tourismus zuständig – und verfügte so nicht nur über die Gelder aus der Breitbandmilliarde, sondern auch über Tourismusförderungen in Millionenhöhe.

Corona: Gegen Lockdowns ...

Mit ihren Ressorts Landwirtschaft und – vor allem – Tourismus gehörte Köstinger während der Pandemie zu den thematisch am stärksten geforderten Ministerinnen. Sie vertrat dabei eine meist sehr liberale Linie und hielt Lockdowns für alle Menschen, abgesehen vom ersten im März 2020, prinzipiell für den falschen Weg. Mitunter argumentierte sie ihre Linie dabei mit Zahlen, die nicht korrekt waren. Etwa als sie in einer Pressekonferenz von einer täglichen Inzidenz von 9.000 während des zweiten Lockdowns sprach. Ihr Fazit: Die Menschen halten sich nicht an Kontaktbeschränkungen. Dass die tägliche Inzidenz damals mit 4.000 bei nicht einmal der Hälfte lag, wurde im Nachhinein als "Zahlendreher" erklärt.

... und für Tourismus

Ganz allgemein blieb jene Pressekonferenz Mitte November 2021 vielen in Erinnerung. Während in ganz Österreich Intensivstationen überbelegt waren und in manchen Krankenhäusern die Triage vorbereitet wurde, sprach Köstinger von einem "guten Tag für Bäuerinnen und Bauern". Es hagelte Kritik, doch Köstinger ließ sich auch eine Woche später nicht beeindrucken und sagte: "Das oberste Ziel muss sein, dass die heurige Wintersaison stattfindet."

Kein Verständnis für Wien: Heute ...

Kein Verständnis hatte Köstinger für jene, die eine vorsichtigere Corona-Politik an den Tag legten, wie die Regierung in Wien. Die strengeren Maßnahmen in der Bundeshauptstadt würden "sehr stark Gastronomie- und Tourismusbetriebe" betreffen, sagte sie dieses Jahr, nachdem nur Wien an der 2G-Regel für die Gastronomie festgehalten hatte. Die Einschränkungen seien "kein Selbstzweck", sagte Köstinger, den Menschen mehr Freiheit zu geben sah sie im Februar als "das Gebot der Stunde". Vom Chefredakteur der Tageszeitung "Heute" wurde Köstinger einst als "die Muttergottes der Öffnung" beschrieben.

... und damals

Das war freilich nicht immer so. Denn Köstinger war wesentlich dafür verantwortlich, dass nach Ausbruch der Pandemie im Jahr 2020 die Bundesgärten geschlossen wurden. "Auch draußen lauert die Gefahr einer Ansteckung. Das Öffnen der Bundesgärten wäre das völlig falsche Signal. Deshalb bleiben die Parks auch zu", sagte Köstinger Anfang April. Der Wiener SPÖ warf sie Kampagnisierung und Fahrlässigkeit vor. Zwei Wochen später waren die Parks wieder geöffnet.

Überraschender Rückzug

Dass Köstinger nun zurücktritt, dürfte viele überraschen. Zwar galt sie nach dem Rückzug Sebastian Kurz' aus der Politik als eine der Ablösekandidatinnen. Seit sie ihr Amt aber auch unter dem neuen ÖVP-Chef und Kanzler Karl Nehammer ausübte, waren Rücktrittsspekulationen nicht mehr zu hören. Zuletzt wurde medial über eine Neuaufstellung des ÖVP-Teams um den am Wochenende stattfindenden Parteitag spekuliert. Allerdings war es die Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck, die in einem "Kurier"-Bericht als vor dem Rückzug stehend beschrieben wurde. (Sebastian Fellner, Lara Hagen, Nora Laufer, 9.5.2022)