Nach drei Jahren zurück auf der Bühne des Shoreline Amphitheatres in Mountain View: Google-Chef Sundar Pichai.

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Es ist ein Stückchen Normalität, das da ins Silicon Valley zurückkehrt. Wenn Google-Chef Sundar Pichai am Mittwochabend die Bühne des Shoreline Amphitheatre in Mountain View betritt, um die Google I/O 2022 zu eröffnen, dann tut er das zum ersten Mal seit Jahren wieder vor Publikum.

Ein Stück Normalität

Zugegeben: In den Rängen werden dabei zwar nur Google-Angestellte sitzen, während der Rest der interessieren Welt die Konferenz via Livestream von außen verfolgen muss, und doch ist die Message unübersehbar: Nach zwei Jahren Covid-19-Pandemie soll es langsam wieder zurück zur Normalität gehen – und zwar auch in der Techwelt.

Das bedeutet nicht zuletzt eines: Entschleunigung. Statt den auf Hochglanz polierten High-Speed-Werbevideos, wie sie die Präsentationen von Apple und Co. in den vergangenen Jahren dominiert haben, gibt es hier wieder eine echte Keynote mit reduziertem Tempo und der echten Chance, dass auch mal etwas daneben gehen könnte.

Live-Ticker

Mit einer anvisierten Laufzeit von einer Stunde und 45 Minute ist die zentrale Keynote denn auch recht großzügig ausgelegt. Diese wird nicht nur ab Mittwoch, 19.00 Uhr live via Youtube gestreamt, DER STANDARD wird sie auch wie gewohnt mit einem Liveticker sowie einem anschließenden, ausführlichen Artikel zu all den Neuerungen begleiten.

All das wirft natürlich die Frage auf: Was wird Google heuer zur I/O an Neuerungen bringen? Immerhin handelt es sich bei der Entwicklerkonferenz um den wichtigsten Event im Google-Jahr, jenen, in dem die Richtung für das kommende Jahr vorgegeben wird und bei dem Google Einblick in längerfristige Entwicklungen gibt. Also werfen wir im Folgenden einen Blick in unsere Kristallkugel.

Pixel 6a

Eigentlich ein Softwareevent, hat Google die I/O in der Vergangenheit immer wieder dazu genutzt, neue Geräte vorzustellen. Die Chancen darauf stehen heuer besonders gut: Mit dem Pixel 6a steht nämlich ein neues Mittelklasse-Smartphone des Unternehmens in den Startlöchern. Die ersten handfesten Leaks gab es schon vor einigen Monaten, eigentlich warten alle nur mehr auf Informationen zur konkreten Verfügbarkeit – also wann und wo es zu welchem Preis erhältlich sein wird.

Stimmen die bisherigen Gerüchte, hat das Pixel 6a jedenfalls das Potenzial die Android-Mittelklasse gehörig durcheinanderzuwirbeln. Soll es doch mit dem selben SoC wie die High-End-Modelle Pixel 6 und Pixel 6 Pro ausgestattet sein – also Googles eigenem Tensor. Üblicherweise müssen sich Android-Geräte in dieser Kategorie mit einem deutlich schwächeren SoC zufriedengeben.

Das heißt natürlich auch, dass der Unterschied zum High-End-Bereich an anderer Stelle zu finden sein wird – allen voran bei der Kamera. Diese soll eher dem 2020 erschienen Pixel 5 entsprechen, also auf die neuen Sensoren des Pixel 6 verzichten.

Googles eigene Smartwatch

Mit mindestens so viel Spannung darf auf eine zweite Hardwareankündigung gehofft werden: Mit der Pixel Watch will Google nach Jahren an fruchtlosen Gerüchten offenbar nun wirklich seine erste eigene Smartwatch vorstellen. Ein in einer Bar "verlorener" Prototyp des Geräts war in den vergangenen Wochen bereits durch die Schlagzeilen der Techpresse gegeistert. Dieser zeigt ein sehr simples, seitlich abgerundetes Design samt zahlreichen an Fitbit-Geräte erinnernden Sensoren für Gesundheits- und Fitnessaufgaben.

Hardwareseitig könnte die Pixel Watch von der im Vorjahr verkündeten Kooperation mit Samsung profitieren. Wie viel besser die Smartwatch-SoCs des südkoreanischen Hardwareherstellers im Gegensatz zu jenen von Qualcomm sind, hatte bereits die Galaxy Watch 4 eindrücklich demonstriert.

Wear OS

Mindestens so interessant dürfte aber die Softwareseite werden. Dürfte es sich dabei doch um die erste Wear-OS-3-Smartwatch jenseits von Samsung handeln. Den Google-Unterschied könnte dabei nicht zuletzt eine tiefe Integration der Fitnessservices des im Vorjahr übernommenen Fitbit darstellen. Der Google Assistant dürfte hingegen bald auch bei den Samsung-Geräten nachgereicht werden.

Bitte warten

In den vergangenen Wochen war aber noch von jeder Menge anderer Google-Hardware zu hören. So soll das Unternehmen etwa an einem faltbaren Smartphone oder auch neuen Earbuds namens Pixel Buds Pro arbeiten. Beide dürften aber erst parallel zum Launch des Pixel 7 im Herbst präsentiert werden.

Android 13

Einen zentralen Punkt jeder I/O stellen Neuerungen rund um Android dar. Die ersten Testversionen von Android 13 gibt es zwar bereits, üblicherweise behält sich Google aber einige der Neuerungen für die Vorstellung auf der Konferenz zurück – vor allem in den für die Nutzer wirklich sichtbaren Bereichen.

Das wird heuer wohl kaum anders sein, insofern darf man sich auf die eine oder andere Überraschung freuen, auch wenn natürlich kein ganz so großer Neuigkeitenschwall wie im Vorjahr zu erwarten ist. Immerhin gab es mit Android 12 ein grundlegendes Redesign der Oberfläche, auf so etwas folgt üblicherweise ein Jahr mit einem Fokus auf Verfeinerungen am Bestehenden.

Google Pay / Wallet

Interessant könnte auch sein, wie es mit Google Pay weitergeht: Der Bezahldienst von Google dürfte nämlich eine – weitere – Kehrtwende vornehmen, wie zuletzt gerüchteweise zu vernehmen war. Und zwar zurück auf einen Fokus auf die Wallet-Funktionalität – selbst der alte Name Google Wallet soll zurückkehren.

Das ist deswegen bemerkenswert, da Google ja erst vor nicht allzu langer Zeit eine neue Google-Pay-App vorgestellt hat, die es in vielen Ländern noch gar nicht gibt. Insofern wird besonders interessant sein, wie Google dieses Hin und Her argumentiert – und wie sich diese Apps zueinander verhalten.

Von KI über Augmented Reality bis zu Smart Home und Android TV

Aus dem mehr als hundert Vorträge umfassenden Programm lassen sich einige weitere Rückschlüsse ziehen. So gibt es eine Art Mini-Keynote für den Bereich Smart Home, wobei es hier vor allem um Softwareverbesserungen gehen dürfte. Neue Hardware wird auch in diesem Bereich erst für Herbst erwartet. Ebenfalls Neuerungen könnte es bei Android TV geben, hier kursieren bereits offizielle Werbungen für die Möglichkeit, einfach zwischen mehreren Profilen wechseln zu können.

Das Thema "Künstliche Intelligenz" wird wie immer bei Google sicher auch eine wichtige Rolle einnehmen. Ebenfalls prominent im Programm vertreten sind Themen wie "Augmented Reality", Chrome OS oder die Privacy Sandbox, die klassische Tracker und Cookies sowohl auf Android als auch im Desktop-Browser ersetzen sollen. Zu all dem kommt sicher noch die eine oder andere Überraschung – oder zumindest beeindruckende Techdemos, wie das im Vorjahr gezeigte Project Starline.

Live dabei

Die Vorträge der I/O werden allesamt via Youtube live gestreamt. Wer zusätzlich noch an Codelabs teilnehmen oder sich im "I/O Adventure" in den virtuellen Ausstellungshallen die Zeit vertreiben und mit anderen plaudern will, der muss sich hingegen auf der zugehörigen Webseite für die Konferenz registrieren – aber auch das ist kostenlos. (Andreas Proschofsky, 9.5.2022)