Schokolade wird besonders oft von Influencern beworben – dabei darf diese laut WHO Kindern und Jugendlichen nicht angepriesen werden.

Christoph Hardt/imago

Keksteig zum Löffeln, das Eisteegetränk DirTea oder Chips – Snacks, Getränke und andere ungesunde Lebensmittel sind gut beworben auf Tiktok, Instagram und Youtube. Im Schnitt 18 Mal pro Stunde werden Teenager im deutschsprachigen Raum auf bestimmten Influencer-Kanälen mit Werbung für Produkte konfrontiert – meist ohne es zu merken. Denn die Beiträge sind häufig nicht als Werbung gekennzeichnet. Dazu kommt, dass 75 Prozent der Lebensmittel, die beworben werden, so ungesund sind, dass sie gegen die Werbestandards für Kinder der Weltgesundheitsorganisation (WHO) verstoßen.

Das ist die traurige Bilanz einer Analyse von insgesamt sechs Social-Media-Kanälen deutschsprachiger Influencerinnen und Influencer, die ein Team vom Zentrum für Public Health der Med-Uni Wien unter der Leitung von Eva Winzer am Europäischen Kongress zu Adipositas in Maastricht vorgestellt hat.

Die sechs untersuchten Social-Media-Stars Simon Desue, Emrah, KsFreak, Julia Beautx, Leoobalys und Dalia haben insgesamt rund 35 Millionen Follower in der Altersgruppe der 13 bis 17-Jährigen, Lebensmittel sind immer wieder präsent auf ihren Kanälen. Besonders oft kommen sie bei Emrah und Julia Beautx vor.

Werbung billiger und zielgerichteter

Gründe für die Werbung via Influencer gibt es dabei mehrere. Abgesehen von der großen Reichweite und Glaubwürdigkeit – Studien zeigen, dass die Produktempfehlungen mit Kaufempfehlungen aus dem nahen Freundes- und Bekanntenkreis der Kinder und Jugendlichen vergleichbar sind – ist Influencer-Marketing im Vergleich zu aufwändig produzierten TV-Spots deutlich günstiger und die gewünschte Zielgruppe lässt sich viel zielgerichteter ansprechen. Außerdem können Werbebotschaften über Influencer mehr Wirkung entfalten, da sie nicht nur passiv konsumiert werden, sondern oft eine aktive und bewusste Auseinandersetzung mit den Posts stattfindet.

Die aktuelle Studie hat insgesamt 364 Videos mit einer Gesamtlänge von 22,7 Stunden analysiert. In dieser Zeit wurden 409 Produkte oder Lebensmittel beworben. Fast die Hälfte der Beiträge erschien auf Youtube. In den meisten Fällen (64 Prozent) wurden die Produkte namentlich erwähnt und konsumiert, in 13 Prozent der Fälle wurden sie weder konsumiert noch erwähnt, sondern nur gezeigt.

Die Untersuchung kommt zum Schluss: 75 Prozent der vorgestellten Lebensmittel und Getränke haben einen so hohen Salz-, Zucker- oder Fettgehalt, dass sie gemäß WHO-Richtlinien nicht an Kinder vermarktet werden dürfen. In diese Gruppe fallen etwa gesüßte Getränke, pikante Snacks, Milchdrinks mit zugesetztem Zucker oder Schokolade und Süßwaren – Letztere sind aber mit 23 Prozent die mit Abstand am häufigsten beworbenen Produkte.

Dazu kommt, dass der Großteil der Posts und Videos nicht eindeutig als Werbung gekennzeichnet war. Entsprechende Richtlinien fehlen nämlich, Studienleiterin Eva Winzer fordert entsprechend eine wirksame Regulierung des Influencer-Marketings für Kinder.

Immer mehr übergewichtige Kinder

Das Problem: Diese großteils nicht gekennzeichnete Werbung kann dazu beitragen, ein jetzt schon massives Problem weiter zu verstärken. Bereits eines von fünf Kindern und Jugendlichen weltweit ist übergewichtig oder sogar fettleibig. In Deutschland sind 15 Prozent der Jungen betroffen, in Österreich liegt die Zahl ähnlich hoch. Dabei ist die Vermarktung ungesunder Produkte als wichtiger Faktor für diese ständige Gewichtszunahme zu sehen, sie beeinflusst Ernährungspräferenzen und Essverhalten stark.

Eva Winzer betont: "Wie können wir von unseren Kindern erwarten, dass sie sich gesund ernähren, wenn die Inhalte in den sozialen Medien auf fett-, salz- und zuckerreiche Lebensmittel ausgerichtet sind?" Sie fordert deshalb, dass die Politik diesbezüglich verstärkt gegen soziale Medien vorgehen müsse. "Spanien hat vor kurzem Pläne angekündigt, Influencern zu verbieten, dass sie Kindern ungesunde Lebensmittel und Getränke verkaufen. Aber in den meisten Ländern gibt es keine Beschränkungen für die Vermarktung von ungesunden Lebensmitteln auf Websites, in sozialen Medien oder mobilen Anwendungen. Regierungen müssen Maßnahmen setzen, die sicherstellen, dass Kinder zu einer gesunden Lebensweise ermutigt werden." (Pia Kruckenhauser, 10.5.2022)