Wer in Minnesota für "Black Lives Matter"-Demonstrationen auf die Straße ging, hatte gute Chancen, ins Visier der Behörde zu geraten (dieses Foto stammt allerdings aus Atlanta, Georgia).

Foto: AFP/Megan Varner

Es ist kein gutes Zeugnis, welches das Minnesota Department of Human Rights der Polizei ausstellt. In einem Bericht (PDF), dem eine zwei Jahre andauernde Untersuchung vorausgegangen ist, erhebt die Abteilung schwere Vorwürfe, berichtet MIT Technology Review.

Die Polizei habe wesentlich mehr Anhaltungen, Durchsuchungen und Verhaftungen von Menschen nichtweißer Hautfarbe (People of Color) vorgenommen als von Weißen. Auch sei gegen sie erheblich häufiger Gewalt eingesetzt worden. Außerdem wurden zahlreiche Privatpersonen, Organisationen und Politiker auf sozialen Medien überwacht, ohne dass sie eines Verbrechens verdächtigt gewesen wären.

Die Erkenntnisse decken sich mit Nachforschungen des MIT. Dieses hatte herausgefunden, dass die Sicherheitsbehörden im Rahmen der Großdemonstrationen infolge des durch Polizeigewalt verursachten Todes von George Floyd eine Art Überwachungsnetzwerk aufgezogen hatten. Nachdem die Proteste wieder abgeflaut waren, blieben diese Mechanismen aber erhalten, um Aktivisten weiter zu bespitzeln.

Massives Ungleichverhältnis

Nach Ansicht des Human Rights Department dürften die Stadt Minneapolis, als auch ihre Polizei gegen die Menschenrechtsgesetzgebung des Bundesstaates verstoßen haben. Das Minneapolis Police Department betreibe ihre Arbeit auf Basis diskriminierender Grundlagen, heißt es im 72-seitigen Bericht, für den knapp 700 Stunden an Videomaterial von Bodycams sowie 480.000 Seiten an Dokumenten der Stadt und Polizei ausgewertet wurden.

Seit 2010 kamen 14 Personen durch die Polizei um, davon waren 13 People of Color oder Nachfahren amerikanischer Ureinwohner. Sie stellen auch 63 Prozent der Betroffenen von Gewaltanwendung, zudem werden dabei deutlich häufiger chemische Reizstoffe wie Pfefferspray gegen sie eingesetzt. Obwohl People of Color nur etwa 19 Prozent der Bevölkerung der Stadt stellen, waren sie zwischen Jänner 2017 und Mai 2020 Ziel von 78 Prozent aller Durchsuchungen von Personen bzw. Fahrzeugen.

Willkürliche Bespitzelung

Bezüglich der Online-Bespitzelung wird vermerkt, dass Beamte mit versteckten oder gefälschten Social-Media-Konten ohne erkennbaren Sicherheitsauftrag Einzelpersonen, Organisationen und gewählte Amtsträger verfolgt und sich dabei als Unterstützer ausgegeben hätten.

Der Bericht des MIT spricht außerdem von drei Beobachtungslisten, auf denen Leute eingetragen wurden, die auf Demonstrationen mit Bezug auf Hautfarbe und Polizeiarbeit gegangen waren. Im Rahmen der "Operation Safety Net" arbeiteten neun regionale und lokale Polizeigruppen während der Proteste zusammen mit dem FBI und dem US Department of Homeland Security. Dabei wurden Überwachungswerkzeuge erworben und Datensätze angelegt. Das Programm soll lange nach seiner offiziellen Einstellung weiter betrieben worden sein.

Die Verunmöglichung anonymer Proteste sei nicht nur ein Verstoß gegen die verfassungsmäßig verankerte Redefreiheit, auch seien die Fake-Accounts zur Meinungsmache missbraucht worden. Sie hätten etwa öffentlich und in Privatnachrichten Kritik an Politikern und Organisationen geübt. Das berge das Risiko, dass Entscheidungsträgern ein falscher Eindruck von den Bedürfnissen ihrer Community vermittelt wird.

Fehlende Kontrolle

Weiters soll es an Kontrolle für solche Vorgänge und die darin involvierten Beamten fehlen. Es gebe im Minneapolis Police Department keine vollständige, akkurate Liste aller Social-Media-Konten, die für Ermittlungen genutzt wurden. Mindestens zwei Dutzend Konten würden in den Protokollen gar nicht aufscheinen, und es gebe auch keine Regeln, um sicherzustellen, dass die Accounts nur für legitime Ermittlungszwecke verwendet werden.

Das setzt sich auch fort, wenn es um die Behandlung von Beschwerden geht. Nicht nur würden behauptetes Fehlverhalten oder Misshandlungen oft nur unzureichend untersucht und schuldige Beamte nicht konsequent bestraft, auch würden die Abarbeitung extrem lange dauern. Im Durchschnitt dauere es bis zum Abschluss von Ermittlungen und Disziplinarentscheidungen des Polizeichefs 475 Tage (Median: 420 Tage).

Das US-Justizministerium ermittelt wegen möglicher Verstöße gegen den Civil Rights Act mittlerweile gegen Stadt und Polizei. (red. 10.5.22)