Wird beschuldigt, zu häufig Putin-freundliche Experten einzuladen: Moderatorin Bianca Berlinguer.

Screenshot: raiplay.it

Moskau/Kiew/Rom – Wiederholte Auftritte russischer Gäste und Putin-freundlicher Experten in Nachrichtensendungen und Polit-Shows sorgen in Italien für hitzige Debatten. Im Kreuzfeuer der Kritik steht die vom öffentlich-rechtlichen Sender RAI 3 ausgestrahlte Politshow "Cartabianca". Starmoderatorin Bianca Berlinguer wurde beschuldigt, zu häufig Putin-freundliche Experten einzuladen, darunter den Soziologieprofessor Alessandro Orsini.

Orsinis provokative Aussagen steigern offenbar die Einschaltquote, weshalb er mittlerweile zum Dauergast der Sendung wurde und er sogar fest angestellt werden sollte. Wegen Protesten zog "Cartabianca" den Vertrag jedoch zurück. Orsinis These, Italien sei Sklave der USA und der NATO hatten zuletzt immer wieder für hitzige Diskussionen im Land gesorgt. Zugleich zeigte Orsini Verständnis für Russlands Argumente zur Begründung des Angriffes auf die Ukraine.

Spekulationen, wonach denen die Sendung "Cartabianca" von RAI-Chef Carlo Fuortes gestrichen werden könnte, sorgt ebenfalls für heftige Debatten. Ex-Regierungschef Giuseppe Conte, Chef der mitregierenden Fünf Sterne-Bewegung, die den Waffenlieferungen Italiens an die Ukraine kritisch gegenüber steht, beklagte ein "Klima der Zensur" in den italienischen Medien. Auch der Chef der rechten Lega, Matteo Salvini, der angeblich gute Kontakte zu Moskau hat, meinte, die Meinungsfreiheit in Italien müsse auch in Sachen Ukraine-Konflikt verteidigt werden.

Kein geeignetes Format

RAI-Chef Fuortes will nun Talkshows, die sich mit politischen Themen befassen, einschränken. "Ich denke, dass das Format der Talkshow in einem Unternehmen, das öffentliche Dienstleistungen erbringt, nicht ideal ist. In den letzten Jahren ist es zu einem Missbrauch dieses Formats gekommen, das sich sehr gut für die Unterhaltung bei leichten, nicht aber bei komplexeren Themen eignet", sagte Fuortes.

Eine Parlamentskommission in Italien hat indes eine Untersuchung über "Desinformation" im Fernsehen eingeleitet. Auch dies sorgt für Diskussionen über die Meinungsfreiheit in Bezug auf den Ukraine-Konflikt. Der Sicherheits-Ausschuss (COPASIR), der die Nachrichtendienste beaufsichtigt, will die Leiter des staatlichen Fernsehens, der staatlichen Sicherheitsbehörde und der Kommunikationsaufsichtsbehörde anhören. Das Gremium erklärte, es untersuche "ausländische Einmischung und Desinformationsaktivitäten (...) mit besonderem Bezug auf den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine".

Die Untersuchung wurde eingeleitet, nachdem der russische Außenminister Sergej Lawrow den italienischen Privatsender Rete 4 wählte, um vor einer Woche sein erstes Interview mit einem europäischen Fernsehsender seit Beginn der Invasion zu geben. Kritiker bemängelten, dass Lawrow weitgehend vom TV-Moderator unwidersprochen eine Bühne für die russische Propaganda geboten wurde. International sorgte das Interview wegen eines NS-Vergleichs Lawrows für Empörung. Einige italienische Beobachter meinten, der russische Minister hätte gar nicht interviewt werden dürfen. Auch Premier Mario Draghi kritisierte am vergangenen Montag das Interview. (APA, 9.5.2022)