"Ich bin kein Homeoffice-Typ"
Ursula Tichy, Bibliothekarin in der Österreichischen Nationalbibliothek

"Als ich für diese Geschichte angefragt wurde, war mir auf einmal wieder bewusst, wie wunderschön und ehrwürdig die Gebäude sind, in denen die Österreichische Nationalbibliothek untergebracht ist. Man vergisst das mit den Jahren. Aber nie ganz. Ich blicke übrigens von meinem Schreibtisch aus auf die Rückseite des Prunksaales.

Ich arbeite seit 18 Jahren im selben Büro. Und seit 18 Jahren mit derselben Kollegin, meiner Lieblingskollegin. Überhaupt herrscht hier eine sehr familiäre Stimmung, was ich sehr schätze. Nach dem ersten harten Lockdown samt Homeoffice fühlte es sich wie ein Heimkommen an, als ich wieder in mein Büro durfte. Ein Traum. Vor lauter Freude hab ich sogar manche Bücher gestreichelt.

Ursula Tichy an ihrem Arbeitsplatz, der für sie auch Inspirationsquelle ist.
Foto: Nathan Murrell

Ein Tag zu Hause

Unsere Homeoffice-Phasen gestalteten sich im Verlauf der Pandemie sehr verschieden. Mittlerweile arbeite ich einen Tag pro Woche von zu Hause aus. Das ist meines Erachtens eine ideale Lösung. Unterm Strich arbeite ich doch um vieles lieber hier in der Österreichischen Nationalbibliothek. Der Zusatz "Österreichische" bei Nationalbibliothek ist wichtig, da unser Haus während der Nazizeit lediglich Nationalbibliothek genannt wurde.

Mein Job besteht darin, Bücher zu beschlagworten. Das bedeutet, ich lese Bücher oder zumindest in sie hinein oder kreuz und quer und katalogisiere sodann den Inhalt in Schlagwörter, für die eine Norm existiert. Man kann das also nicht nach Gutdünken tun. Die Schlagwörter landen digital in unserem Bibliothekskatalog für die Leserinnen und Leser. Unsere Abteilung unterteilt sich in Fachreferate, in meinem Fall geht es in erster Linie um deutsche Sprach- und Literaturwissenschaft und Romanistik. Man könnte auch sagen, meine Aufgabe lautet, sich ein Bild über eine Publikation machen zu können. Aktuell liegt das Buch "Romantik – ein europäisches Ereignis" auf meinem Schreibtisch.

Das ideale Büro

Natürlich wird ein Büro zu einem Lebensraum, sogar zu einer Art Wohnraum und auch zur Inspirationsquelle. Umgeben von Büchern zu arbeiten war immer mein großer Traum, ich fühle mich hier also total wohl. Ich wüsste nicht, was ich mir noch wünschen sollte. Es ist das ideale Büro. Mir ist es ferner wichtig, in einer gewohnten Umgebung zu sein. Arbeitsplatztechnisch wäre es für mich der pure Horror, wenn ich in einem Büro arbeiten müsste, in dem man sich jeden Tag einen freien Schreibtisch suchen müsste und diesen an jedem Feierabend wieder leerzuräumen hätte.

Objekte, die mir wichtig sind, umgeben mich viele. Gute Bleistifte, meine Wasserflasche, eine Buchstütze in Form einer schlafenden Katze, eine Bleischlange, die verhindert, dass sich ein Buch von selbst umblättert, jede Menge Post-its oder die Untersetzer für mein Kaffeehäferl, die teils Mitbringsel von Reisen sind. Einer davon tat mir bereits während meiner Studienzeit in Paris gute Dienste. Ach ja, nicht zu vergessen sind die Origamifiguren, die mir meine Kollegin schenkt. Und die Pflanzen. Ich mag unsere Pflanzen im Büro, wobei der grüne Daumen eindeutig meiner Kollegin gehört. Einen ganz besonderen und persönlichen Wert hat für mich das Buch "Das Wörterbuch des Buches", ein Geschenk, das mir mein Vater machte, als ich in diese Abteilung kam.

Hin und wieder kann es schon mal chaotisch auf dem Schreibtisch ausschauen, wenn es darum geht, Post-its abzuarbeiten, aber dann herrscht auch wieder Ordnung. Mal so, mal so, würde ich sagen. Nichts lenkt mich mehr von der Arbeit ab als ein interessantes Buch. Ich habe ja leider nicht die Zeit, die zu beschlagwortenden Bücher von A bis Z zu lesen, auch wenn ich immer wieder mal in eines reinkippe. Abschließend möchte ich gern erwähnen, dass mich im Rahmen meiner Tätigkeit das Wechselspiel von digital und analog fasziniert. Man kann mit Fug und Recht sagen, dass wir hier in beiden Welten zu Hause sind."


"Privates findet man hier eher weniger"
Wolfgang Bartsch, Dezernatsleiter in der Magistratsdirektion im Wiener Rathaus

Wolfgang Bartsch ist Dezernatsleiter in der Magistratsdirektion des Wiener Rathauses.
Foto: Nathan Murrell

"Ich arbeite seit 2004 beim Magistrat im Wiener Rathaus. Mein Verhältnis zum Büro ist grundsätzlich ein sehr funktionales. Ich denke dabei an den Bereich Computerarbeit, aber natürlich auch an verschiedene Formen der Kommunikation mit dem Team. Ich sehe im Büro keinen wirklich wohnlichen Aspekt, und die Natur, die finde ich bei mir zu Hause im südlichen Niederösterreich, wo ich eine Mikrolandwirtschaft mit Hühnern und Kaninchen betreibe.

Einen besonderen Stellenwert im Büro hat die weiße Wand gegenüber meinem Schreibtisch. Auf diese schaue ich oft und gerne, vor allem wenn es darum geht, Lösungen für Probleme durchzudenken. Sie erinnert mich auch an meine private langjährige Leidenschaft für das Schreiben. Ich schreibe in der Regel mit der Hand auf ein weißes Blatt Papier und übertrage den Text später in den Computer.

Sprüche aller Art sind im Büro von Wolfgang Bartsch im Wiener Rathaus nicht nur an seiner Pinnwand zu finden.
Foto: Nathan Murrell

Mein aktuelles, erst vor kurzem erschienenes Buch trägt den Titel "Das große Beben, oder wie der pensionierte Beamte Dr. Tuzzi Österreich in Coronazeiten noch einmal erretten soll". Es handelt sich um eine Politsatire aus meiner Feder. Das Buch entstand in Anlehnung an die Tradition des Beamtenromans im Stil eines Jörg Mauthe. In meiner kreativen Arbeit spiele ich immer wieder auch mit Beamtenklischees, mit denen ich übrigens keinerlei Probleme habe. Ich kann darüber schmunzeln.

Problemzone

Aber zurück ins Büro im Rathaus. Ich bin Betriebswirt und arbeite mit einem sehr interdisziplinären Team. Wir stellen die strategische Einheit des Magistrats dar, wobei ich im Bereich Organisation beschäftigt bin. Es geht darum, Problembereiche zu analysieren, Strukturen zu etablieren und einiges mehr.

Nehmen wir zum Beispiel das Thema Klimaneutralität in Wien bis zum Jahr 2040, wie es das Regierungsprogramm vorsieht. Unsere Abteilung beschäftigt sich in diesem Fall mit der Aufgabe, Strukturen und Prozesse zu schaffen, um in den nächsten Jahren im Zusammenwirken mit verschiedensten Dienststellen dieses Ziel erreichen zu können. Eine Unzahl an organisatorischen Aufgaben kam natürlich auch während der Pandemie auf unsere Abteilung zu, von den Teststrukturen bis hin zur Organisation von Kundenverkehr in Ämtern während Corona und vieles mehr.

"Private Dinge findet man in meinem Büro eher wenige" (Wolfgang Bartsch).
Foto: Nathan Murrell

Apropos Corona, während der vergangenen zwei Jahre durchlebte ich verschiedene Homeoffice-Phasen. Im Homeoffice zu arbeiten war bei uns im Magistrat allerdings auch schon vor der Pandemie möglich. Insofern stellte diese Form des Arbeitens für uns keinen großen Kulturschock dar. Ich denke, bestimmte Elemente aus dem Bereich Videokonferenzen werden bleiben, wenn sie sich als positiv herausgestellt haben. Bei größeren und längeren Interaktionen macht es natürlich mehr Sinn, wieder zusammenzukommen. Kurz gesagt, manches aus dieser Zeit hat sich etabliert, anderes wird wieder verschwinden.

Private Dinge findet man in meinem Büro eher wenige. Ich kann eine Reihe von Zitaten und Sprüchen anbieten, die an meiner Pinnwand hängen. Die meisten beziehen sich auf Organisationsproblemstellungen, wenn Sie so wollen. Wie wäre es mit "Ich habe zwar keine Lösung, bewundere aber das Problem", oder "Meine Meinung steht fest, bitte verwirren Sie mich nicht mit Tatsachen". Solche Dinge begegnen mir auch immer wieder mal im realen Umfeld. Sie stehen aber auch für einen Anker zu meinen privaten Ambitionen in Sachen Schreiben und Politsatire. So wie die weiße Wand die Verbindung zum Blatt Papier darstellt.

Was ich mir unter dem idealen Büro vorstelle, wenn es keine finanziellen Grenzen gäbe? Vielleicht ein großzügiges Office oben auf dem Kahlenberg mit Blick über die Stadt, denn ich habe meine Aufgabe gern in meinem Blickfeld. Wenn ich jetzt aus dem Fenster blicke, sehe ich eine U-Bahn-Baustelle. Die ist zwar manchmal laut, aber auch sie steht für das, wofür wir hier arbeiten."


"Bei uns wäre Homeoffice unmöglich"
Dejan Bozic, Mitarbeiter der Leitstelle der Wiener Linien

Wenn ich es mir aussuchen könnte, hätte ich gern ein Büro im Donauturm. Ganz oben natürlich. Mit viel Glas und Holz. Alles nur vom Feinsten. Aber das wird es wohl nicht spielen.

Bei Dejan Bozic gibt es so manche Kleinigkeit von zu Hause, die zum Wohlfühlen im Büro beiträgt.
Foto: Nathan Murrell

Unsere Büros, also jene der Leitstelle der Wiener Linien, befinden sich in Wien-Erdberg. Ich erfülle hier die Funktion eines Ansprechpartners für Störungsfälle aller Art. Bei mir landen Anrufe und Funkanfragen der Polizei, der Rettung, der Feuerwehr oder unserer Fahrer und Lenkerinnen. Es melden sich aber auch alle möglichen Menschen, selbst wenn es nur um eine kaputte Glühbirne im Haus geht. Das Spektrum reicht weiter über Falschparker, deren Autos im Weg stehen, Gewalt, medizinische Notfälle bis hin zu Überflutungen. Wir sind für alles die zentrale Anlaufstelle in Sachen Koordination. Je nach Problematik schicken wir auch unsere internen Einsatzkräfte zum betreffenden Ort. Meine Schichten dauern zwölf Stunden. Je nach Tageszeit sind wir zu fünft oder zu dritt.

Im Schnitt meldet sich alle drei bis vier Minuten jemand per Telefon bei mir. Mein Motto lautet, "Hilfe in der Not, bei mir sind Sie richtig". Die Möglichkeit, vom Homeoffice aus zu arbeiten, gab es bei uns nicht. Es wäre ganz einfach unmöglich, diese ganzen Informationssysteme mit nach Hause zu nehmen. Schön hätte ich mir es allerdings schon vorgestellt, vom Zuhause aus im Pyjama zu arbeiten. Zumindest für eine kurze Zeit, denn mir liegt der persönliche Kontakt zu den Kollegen sehr am Herzen.

Das Büro als eine Art zweites Wohnzimmer
Foto: Nathan Murrell

Auf den Bildschirmen an meinem Arbeitsplatz sehen wir die Fahrzeuge auf der Strecke und wie sich die Situation auf den Linien darstellt. Die Bildschirme liefern alle möglichen Informationen aus dem Betrieb. An meinem Arbeitsplatz blicke ich auf drei Screens.

"Tetris" und "Warhammer"

Ich sehe unser Büro durchaus als eine Art zweites Wohnzimmer. Mit dabei habe ich allerlei Kleinigkeiten von zu Hause. Ich trage Patschen, es gibt sogar einen Hometrainer und ein Sofa, auf dem ich es mir während kurzer Pausen mit Nackenkissen und Decke gerne gemütlich mache. Ich spiele in solchen Minuten "Tetris" und andere Spiele auf meinem Smartphone. Unsere Arbeitsmedizinerin empfiehlt, dass man sich immer wieder einmal vom Bildschirm wegbewegt. Ach ja, einen E-Reader habe ich auch immer dabei. Im Moment lese ich "Warhammer".

Der Wohlfühlfaktor in einem Büro hängt mit vielen Faktoren zusammen, neben dem räumlichen Umfeld kommt es natürlich auch auf die Kollegenschaft an. Und das Licht. Wir haben hier auch eine mit Moos bewachsene Wand. Es sind viele kleine und große Dinge, die ein gutes Arbeitsumfeld ausmachen. Das schlimmste Büro wäre eine Art Gefängniszelle, die man nach einem Arbeitstag verlassen darf. Das wünsche ich niemandem."


"Mein Büro ist wie ein Wohnzimmer"
Barbara Suchanek, Generalsekretärin des Vereins Unser Stephansdom

"Office with a view": Barbara Suchanek blickt direkt auf den Stephansdom, um dessen Erhalt als Kulturgut sie sich kümmert.
Foto: Nathan Murrell

"Unser Verein ist für die Erhaltung des Stephansdoms als Kulturgut zuständig. Und das von Kopf bis Fuß des Doms. Wir benötigen jährlich 2,2 Millionen Euro an Spenden, um dieses Wahrzeichen zu erhalten. Dabei geht es um Fundraising, Patenschaften, Kooperationen etc. Für diese Abwicklungen sind ich und zwei Mitarbeiterinnen zuständig.

Natürlich weiß auch ich, an welchen Ecken und Enden der Dom gerade besonders krankt. Ein sehr großes Projekt war die neue Riesenorgel. Für diese mussten wir eine Million Euro an Privatspenden aufstellen. Gegründet wurde der Verein vor 35 Jahren vom damaligen Bürgermeister Helmut Zilk, ich bin seit 2016 dabei und seit drei Jahren Generalsekretärin.

Ich würde sagen, ich besuche den Dom zweimal pro Woche. Mein Büro liegt gleich gegenüber der Südseite des Domes im vierten Stock des sogenannten Curhauses. Von hier aus genieße ich einen herrlichen Ausblick auf einen großen Teil des Domes. Diese Aussicht schenkt mir viel positive Energie. Ich kann gar nicht verstehen, warum meine Vorgängerin mit dem Rücken zum Dom saß. Absurd, oder? Ich mag auch das Feeling, das ein so altes Haus verströmt.

Pummerin und Orgelpfeife

Ich liebe meinen Arbeitsplatz und verbrachte in den vergangenen beiden Jahren nur ganz wenig Zeit im Homeoffice. Ich bin alles andere als ein Homeoffice-Fan. Mein Büro hier ist für mich wie ein Wohnzimmer, auch wenn es nicht gerade gemütlich ist. Also ich schaue hier nicht fern oder chille. Dennoch würde ich diesen Platz als Wohlfühlort bezeichnen. Ein bisschen größer könnte es sein. Und gegen ein paar Jugendstilmöbel hätte ich auch nichts einzuwenden. Am schlimmsten wäre es für mich, mit 15 anderen Personen in einem Großraumbüro zu arbeiten, in dem man alles mithört, sämtliche Stimmungen mitkriegt und sogar das Essen mitriecht.

Meine Lieblingsdinge im Büro sind eine kleine nachgebaute Pummerin aus der Glockengießerei Grassmayr, ein kleiner in Kunststoff eingegossener Mauerteil vom Dom und zwei Orgelpfeifen der alten Orgel. Ach ja, und da ist noch ein kleines Papiermodell vom Dom, das ein Architekt gebaut hat. Und Zeichnungen von meinen Kindern, die mich motivieren, wenn ich mich mal ärgern muss. Worüber ich mich ärgere? Ach, zum Beispiel wenn sich Leute über die Impfstraße im Dom aufregen. Aber ich ärgere mich selten.

Der Blick auf den Stephansdom.
Foto: Nathan Murrell

Früher war ich in Sachen Ordnung im Büro die Urchaotin, aber in diesem Job habe ich einen Wandel vollzogen. Zu Beginn meiner Tätigkeit im Verein dachte ich mir, da schwimme ich nicht mit, ich bleibe chaotisch. Irgendwann hat es einen Schalter umgelegt. Und mit der Ordnung geht es mir auch besser. Es macht einfach mehr Sinn, wenn man sich am Schreibtisch auskennt. Zuvor arbeitete ich im Bereich Marketing und Pressearbeit in der Finanzbranche und war auch in Sachen PR für ein Institut für Quantenphysik tätig. Da sah ich die Sache, wie gesagt, ganz anders.

Was könnte ich Ihnen sonst noch erzählen? Angeblich hat hier irgendjemand einmal das sogenannte Curhaus-Gespenst gesehen. Mir hat es sich noch nicht gezeigt. Vielleicht kommt das noch. Ob ich mich dann hier immer noch so wohl fühle, ist eine andere Frage." (Michael Hausenblas, RONDO, 16.5.2022)

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