Altwiener Kalbsbries, zubereitet von Obmann und Gastgeber Andreas Döllerer.

Foto: Jörg Lehmann

Vor wenigen Tagen wurde die Kennzeichnung der Herkunft von verarbeiteten Lebensmitteln im Handel beschlossen. In der Gastronomie bleibt es hingegen weiterhin dem Wirt oder der Wirtin überlassen, ob sie auf der Karte angeben, wo Speck und Ei fürs Frühstück oder das Schnitzelfleisch eigentlich herkommen.

Beim Kalbswiener ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Fleisch nicht aus Österreich stammt, besonders hoch. Wird doch allein aus den Niederlanden Fleisch von rund 105.000 Kälbern jährlich importiert. Dass im Gegenzug 100.000 österreichische Kälber lebend oder geschlachtet exportiert werden, ist eine der Absurditäten des Fleischmarkts.

Hier gegenzusteuern und Alternativen aufzuzeigen war das Ziel des Kochcampus Ende April mit dem Thema Kalb in Golling und Wildshut. Der Kochcampus – eine Vereinigung von heimischen Gastronomen und Produzentinnen – findet mehrmals jährlich statt. Er bietet einerseits eine Gelegenheit, sich auszutauschen und Neues kennenzulernen, andererseits kann damit auch eine breitere Öffentlichkeit für Themen erreicht werden, die der Qualitätsverbesserung und Bewusstseinsänderung in Gastronomie und Landwirtschaft, aber auch in den Küchen zu Hause dienen.

Andreas Döllerer (li.) und Hannes Hönegger. Hönegger, auf dessen Hof die sieben österreichischen Kälber geschlachtet wurden, hat vor Kurzem im Brandstätter Verlag das Buch "Das goldene Kalb" veröffentlicht, in dem um nachhaltige Landwirtschaft und Tierwohl geht.
Foto: Leopold

Lieber rosa

Kalb sei ja etwas Besonderes, erzählte Kochcampus-Obmann und Gastgeber Andreas Döllerer zum Auftakt. Schon in seiner Kindheit hätte er das begriffen, schließlich habe es bei Feiern immer Kalbsgerichte gegeben. Und auch heute werde das in der Familie so gehalten, für die Hochzeit der Nichte steht der gewünschte Kalbsnierenbraten auf dem Menüplan.

Ein Fleischstück, das hierzulande relativ einfach zu bekommen ist, in großen ausländischen Mastbetrieben aber meist gar nicht für den klassischen Verkauf bestimmt ist. Schließlich will der Markt hauptsächlich Edelteile und diese am besten aus besonders hellem Fleisch.

Dass das ganz und gar kein Qualitätskriterium ist, ist häufig nicht bekannt. Dabei stammt das helle Fleisch oft von Tieren, die mangelernährt werden (unter anderem mit Futter, das zu wenig Eisen enthält, denn das würde das Fleisch röter färben) und nicht artgerecht gehalten werden, erläuterte Maria Fanninger vom Verein "Land schafft Leben" in ihrem Vortrag über Tierethik. Selbst in den ersten Lebenswochen bekommen diese Kälber nicht die – vermarktbare – Milch der Mutterkuh, sondern günstiges Milchaustauschfutter.

Experiment mit Blindverkostung

Das Fleisch von neun Kälbern unterschiedlicher Aufzucht wurde beim Kochcampus begutachtet und verkostet.
Foto: Jörg Lehmann

Wie und ob sich die unterschiedlichen Aufzuchtformen nun aber tatsächlich auf die Qualität des Fleischs auswirken, konnten die Teilnehmerinnen des Kochcampus selbst austesten. Für das Experiment wurde das Fleisch von neun Kälbern in einer Blindverkostung angeboten. Sieben der Tiere stammten aus Österreich (fünf davon aus Biohaltung), zwei aus ausländischen Mastbetrieben.

Das Ergebnis – gekostet wurde roh und gebraten – war eindeutig. Am besten schmeckte den rund 70 Verkostenden ein viereinhalb Monate altes Biokalb, das – wie in der Biolandwirtschaft vorgeschrieben – mit Vollmilch aufgezogen wurde. Das Fleisch des am besten bewerteten Tieres war übrigens dunkelrosa. Am wenigsten mundete ein sieben Monate altes Mastkalb aus konventioneller Haltung und nichtösterreichischer Herkunft.

Drei der neun Kalbfleischproben.
Foto: Jörg Lehmann

Im Mittelfeld landete ein konventionell gefüttertes Kalb aus Österreich. Es stammte von einem Betrieb, der Fleisch für die Vermarktungsgemeinschaft "Kalb Rosé Austria" liefert. Diese wird als günstigere heimische Alternative zu ausländischem Billigfleisch promotet, denn Biokalb wird nie billig angeboten werden, trinkt doch ein Tier bei der Aufzucht in den ersten Lebensmonaten zwischen zehn und 15 Litern Milch täglich.

Verarbeiten des ganzen Tieres

Doch es geht nicht nur um Aufzucht und Haltung der Tiere, sondern auch darum, was von ihnen auf dem Teller landet. Das Verarbeiten des ganzen Tiers, unter dem Schlagwort "nose to tail" bekannt, scheitert teilweise am mangelnden Know-how der Köche und Köchinnen, andererseits aber auch an den Vorbehalten der Gäste.

Wer aber Bries, Leber oder Schlepp bestellt, setzt bewusst ein Zeichen gegen die Aufzucht reiner Schnitzeltiere. Wie gut das schmecken kann, bewiesen die fünf österreichischen Spitzenköche Vitus Winkler, Andreas Senn, Andreas Döllerer, Josef Steffner und Hubert Wallner zum Abschluss des Kochcampus. So viel lässt sich nach Lebereis mit Vogelbeeren, Altwiener Bries oder auch geräucherter Kalbszunge sagen: Das Schnitzel ging niemandem ab. (Petra Eder, RONDO, 17.5.2022)