Kleinere Windräder, wie hier von Terawind, sollen künftig auch die stärkeren und unregelmäßigen Winde in den Bergen in Strom verwandeln.

Foto: Terawind

Nicht überall, wo in Österreich der Wind bläst, wird dieser auch genutzt. Während in Niederösterreich aktuell rund 730, im Burgenland 420, in der Steiermark 100 und in Oberösterreich, Wien und Kärnten immerhin ein paar Dutzend Windräder grünen Strom produzieren, steht in Salzburg, Tirol und Vorarlberg immer noch kein einziges Großwindrad – und das, obwohl es auch dort Potenzial gibt. Der Ausbau spießt sich jedoch immer wieder am Widerstand der Bevölkerung, an Naturschutzbedenken, topografischen Schwierigkeiten oder fehlendem politischem Willen.

Dabei ist klar, dass es weit mehr Windräder braucht, um das Ziel der Regierung, spätestens 2030 zu hundert Prozent Strom aus erneuerbaren Energien zu beziehen, zu erreichen. 1000 neue Windräder müssten wahrscheinlich in den nächsten acht Jahren gebaut und die Kapazität an Windkraft damit verdoppelt werden. Windkraft würde dann ungefähr ein Viertel des heimischen Strombedarfs decken. Gleichzeitig müssen die Anlagen nicht nur mehr, sondern auch effizienter werden. Das bedeutet: Noch höhere und größere Windräder, die mehr Strom produzieren. Schon jetzt liegt der durchschnittliche Durchmesser der Rotoren bei über 130 Metern, ein Windrad produziert je nach Leistung Strom für rund 2000 bis 4000 Haushalte.

Fliegende Windkraftwerke

Doch es gibt auch immer mehr Alternativen zu herkömmlichen Windrädern – für Orte, die bisher kaum für die Windenergie genutzt wurden, und für Menschen, denen die riesigen Windräder ein Dorn im Auge sind. Denn drei Viertel aller Österreicherinnen und Österreicher sind zwar generell für den Bau von Windkraftanlagen in ihrer Region. Die Akzeptanz ist in den vergangenen Jahren aber zurückgegangen und im Vergleich zu Photovoltaik nach wie vor niedrig.

Eine Möglichkeit, Windkraft künftig an mehr Orten zu etablieren, ist die Idee einer Windkraftanlage, die nicht auf dem Boden steht, sondern fliegt. Kitekraft nennt sich das deutsche Unternehmen, das die neuartigen Anlagen entwickelt. Dafür werden drachen- oder flugzeugähnliche Drohnen über acht Propeller hoch in die Luft gebracht, fliegen dort eine Achterbewegung und erzeugen dann mithilfe derselben Propeller Strom, der über einen elektrischen Leiter in der Leine zum Boden geleitet wird.

In abgelegenen Regionen

Laut dem Unternehmen sollen die Drachen, die derzeit 2,40 Meter lang sind, an bisher für Windräder ungeeigneten Orten zum Einsatz kommen, etwa über abgelegenen Bahnhöfen, an Küsten oder in den Bergen. Zudem sollen sie der Natur weniger schaden, einfacher zu transportieren und aufgrund der Materialersparnis um rund die Hälfte günstiger sein als herkömmlich produzierter Windstrom, heißt es von Kitekraft. Spätere Modelle könnten dann über 20 Meter lang sein und bis zu 350 Haushalte mit Strom versorgen. Je höher die Kites fliegen – theoretisch auf bis zu 500 Meter Höhe –, desto größer sei am Ende die Energieausbeute.

Die fliegenden Winddrachen des Unternehmens Kitekraft sollen bald Strom aus abgelegenen Regionen liefern.
Foto: Paul Winkler / Kitekraft

Wind in den Bergen nutzen

Stärkeren Wind in abgelegenen Regionen will auch das Unternehmen Terawind besser nutzbar machen. Die Windräder, die das im Vorjahr gegründete Wiener Start-up entwickelt, haben vergleichsweise kleine Windrotoren, können dafür aber auch Windböen, etwa im Gebirge, in Energie umwandeln.

"Bisher werden Bergregionen kaum für die Windenergie genutzt, da herkömmliche Anlagen für die dortigen Winde nicht gemacht sind und auch kaum an die oft schwer zugänglichen Orte transportiert werden können", sagt Philip Krammer, Gründer und Geschäftsführer von Terawind, im Gespräch mit dem STANDARD. Dabei sei das Potenzial zur Energiegewinnung in den Bergen ziemlich hoch: Die Menge an Strom, die man dort pro Quadratmeter Rotorkreisfläche erzeugen könnte, entspreche in etwa der auf der Nordsee. "Unsere Nordsee befindet sich im Gebirge", sagt Krammer, der zuvor Flugzeugbau in Hamburg und Energy Economics in London studierte.

Windstrom vom Hochschwab

Die neuen Windräder ließen sich laut Krammer am besten auf Bergen bis 2000 Meter Höhe aufstellen, wie etwa am Hochschwab, auf dessen Plateau viele Windräder Platz finden würden. Auch entlang des Alpenhauptkamms gebe es sehr viel Potenzial. Insgesamt ließe sich in Österreichs Bergregion laut Krammer Windstrom "im Terawattstundenbereich" produzieren, der dann ins Netz eingespeist oder auch für die Energiespeicherung verwendet werden könnte.

Windräder in den Alpen dürfte allerdings auch auf Widerstand stoßen – etwa bei Umweltschützerinnen, die einen Eingriff in die Natur befürchten, und Wanderern, die die Anlagen als Schandflecke in der Landschaft betrachten. "Windanlagen in den Alpen sind natürlich ein heikles Thema", sagt Krammer. Eine gewisse "optische Beeinträchtigung" werde es immer geben. Immerhin will Terawind bereits eine neue Lösung gefunden haben, um Vögel vor den Windrädern zu schützen. Man wolle die Windräder mit Sensoren und künstlicher Intelligenz ausstatten. Sobald ein Vogel auf den Rotor zufliegt, soll sich dieser automatisch innerhalb kürzester Zeit abschalten. Der bessere Vogelschutz könne auch bei der Umweltverträglichkeitsprüfung helfen, sagt Krammer.

Viele Hürden

Doch noch befinden sich sowohl die Winddrachen als auch die Terawind-Anlagen erst am Anfang. Terawind arbeitet momentan noch an Prototypen mit kleineren Rotordurchmessern, die ersten kommerziellen Anlagen sollen 2025 auf den Markt kommen. Bis die Anlagen tatsächlich weit verbreitet sind, dürfte es daher noch einige Zeit dauern.

Und auch bei den Winddrachen gibt es noch viele Herausforderungen: Das dünne Kabel, an dem die Drachen in der Luft hängen, könnte leicht übersehen werden und eine Gefahr für kleinere Flugzeuge und andere Flugobjekte darstellen. Auch Stürmen und Gewittern müssen die fliegenden Windkraftwerke erst einmal standhalten. Zudem fehlen vielerorts noch die Genehmigungen für den Betrieb. Viele halten die Technologie daher momentan noch für unreif und zu wenig erprobt. Auch Google testete einige Jahre lang Flugwindkraftwerke, stellte seine Forschung aber 2020 wieder ein. Die Technologie wirtschaftlich zu machen dauere länger und sei risikoreicher als erwartet, hieß es damals von dem Unternehmen.

Auch in Kroatien und Frankreich

Was die Terawind-Windräder betrifft, ist Krammer zuversichtlich, dass sie bald nicht nur in Österreich, sondern auch in Kroatien, wo die Bora weht, oder für den in Frankreich wehenden Mistral zum Einsatz kommen könnten. In Kombination mit herkömmlichen Windanlagen sollen sie dann einen Beitrag zur Energiewende leisten. Sobald die Technologie ausgereift und die Akzeptanz in der Bevölkerung groß genug ist, könnte das erste Windrad im Westen Österreichs damit vielleicht eines Tages von den Bergen aus über die Landschaft schauen. (Jakob Pallinger, 10.5.2022)