Die Pyroshow beim Derby war angemeldet und genehmigt, ein homophobes Transparent war nicht leicht zu übersehen.

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Kurt Wachter von Fairplay fordert konsequentes Handeln ein.

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Mit wenig Zuversicht auf Erfüllung hatten sich die Sportchefs Manuel Ortlechner und Zoran Barisic im Vorfeld für den vergangenen Sonntag ein Wiener Fußballderby ohne Hassbotschaften in der Generali Arena gewünscht. Am Tag nach ihrem 336. Treffen wurde bei den Traditionsklubs Austria und Rapid dann wieder einmal um Erklärungen gerungen. Wie kann es zum Beispiel sein, dass im Sektor des Rapid-Anhangs gleichsam zur Untermalung homophober Sprechchöre konsequenzenlos ein meterlanges Transparent mit homophober Beschimpfung der Austria prangte?

Ordner in der Pflicht

Die Kontrolle obliege dem Veranstalter, hielten die Gastgeber fest. Der externe Ordnerdienst sei angewiesen, Plakate und Banner zu kontrollieren und gegebenenfalls dem Verantwortlichen der Austria zu melden. "In diesem Fall ist das nicht passiert. Das ist für uns derzeit unerklärlich, wir gehen dem nach", hieß es seitens der Austria, die zudem der Bundesliga meldete, dass zwei Vereinsmitarbeiter von Rapid-Anhängern antisemitisch beleidigt worden seien.

Rapid sprach sich "ganz klar gegen jegliche Form der Diskriminierung, daher selbstverständlich auch gegen Homophobie" aus. "Verständliche Kritik" am Kartenverkaufsmodus der Austria sei "zu unserem Bedauern durch die abzulehnende Wortwahl konterkariert" worden. Tatsächlich folgte der Ansprache "Schwuler FAK" der schlichte Satz "Weder Klasse noch Masse!". Gemeint sei der geringe Zuschauerzuspruch (nur 13.700 in der 17.000 Zuschauerinnen und Zuschauer fassenden Arena) bei gleichzeitig zu geringer Kartenzuteilung (Freiverkauf) für Gästefans gewesen.

In Sachen Transparent will die Bundesliga mit Rapid Kontakt aufnehmen, auch die von der Liga zusammen mit dem Fußballbund ins Leben gerufene Ombudsstelle gegen Homophobie wird miteinbezogen. Es soll demnach geklärt werden, ob es sich um einen Einzelfall handelt oder ob ein System dahintersteckt. Wovon ein Sprecher der Liga nicht unbedingt ausgehen wollte. Eine Geldstrafe gegen den Verein, dessen Anhang durch homophobe Kundgebungen auffällt, sei prinzipiell nicht vorgesehen, aber denkbar.

Wohl könnte der Schiedsrichter das Spiel unterbrechen und die Entfernung von homophoben oder auch rassistischen Transparenten einfordern. Das sei, hieß es seitens der Liga, "aber sehr theoretisch". Sehr praktisch wurde diesbezüglich allerdings schon in anderen Ligen gehandelt. In Frankreichs Ligue 1 werden seit Jahren Spiele wegen homophober Manifestationen unter Androhung des folgenden Abbruchs unterbrochen.

Solange der Fetzen hängt

Auch für Kurt Wachter, den Bereichsleiter der Initiative Fairplay des Vienna Institute for International Dialogue and Cooperation (VIDC), führt kaum noch ein Weg an konsequentem Handeln vorbei. Der Weltverband Fifa habe die Möglichkeit geschaffen, ein Spiel zu unterbrechen oder gegebenenfalls auch abzubrechen. "Der Schiedsrichter kann durchaus sagen: ‚Solange der Fetzen hängt, wird einfach nicht weitergespielt.‘"

Wachter sieht Verantwortlichkeiten auf allen Ebenen. "Die Spieler müssen sich nach Schlusspfiff nicht von einer Kurve verabschieden, die so agiert." Immerhin hätte sich das Problembewusstsein der Profis entwickelt. Wachter verweist auf das Auftreten von Fußballern gegen Homophobie während der vergangenen Europameisterschaft. Beschwichtigungsversuche ("War eh nicht so gemeint") seien seltener zu hören. Allerdings beklagt Wachter den Hang zur Hierarchisierung von Diskriminierung. "Rassistische oder antisemitische Vorfälle werden anders wahrgenommen."

Zu diesem Ergebnis sei auch die Bundesliga in Seminaren für Fans gekommen. "Wenn es um Homophobie ging, war die Bereitschaft, das abzustellen, gering", sagt Wachter. Homophobie und Rassismus werden allerdings auch nicht im gleichen Maß sanktioniert. "Es muss noch klarer kommuniziert werden, dass das eine wie das andere nicht geht."

Zumindest bis zum 337. Derby ist noch ein wenig Zeit dafür. (Philip Bauer, Christian Hackl, Sigi Lützow, 9.5.2022)