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Das Gesetz, dass Übernahmen an der Börse regelt, wird reformiert.

Foto: REUTERS/HEINZ-PETER BADER

Geht es nach der türkis-grünen Regierung, wird die Übernahme von Aktiengesellschaften durch Großaktionäre künftig einfacher. Mit einer Reform des Übernahmegesetzes sollen die Bestimmungen zum sogenannten Creeping-in liberalisiert werden.

Der Interessenverband für Anleger, der kleinere und mittelgroße Aktionärinnen vertritt, hält davon erwartungsgemäß wenig. Aber auch die Übernahmekommission an der Wiener Börse, die das Gesetz vollzieht, übt in einer Stellungnahme Kritik: Sie fürchtet, dass die Rechte von kleineren Aktionären künftig umgangen werden könnten.

Umgehung möglich

Konkret geht es in der Novelle um die Bestimmungen zu Pflichtangeboten. Erlangen Großaktionäre eine kontrollierende Beteiligung an einer börsennotierten Gesellschaft, müssen sie allen anderen Anteilshabern ein Angebot zum Kauf derer Aktien machen. Das gilt auch dann, wenn Großaktionäre bereits eine kontrollierende Beteiligung haben, diese aber weiter ausbauen. Kleineren Aktionärinnen und Aktionären soll das die Möglichkeit geben, ihre Anteile ebenfalls an die übernehmende Gesellschaft zu veräußern.

Bisher galt diese Angebotspflicht schon dann, wenn ein Großaktionär seine Anteile innerhalb eines Jahres um zwei Prozent ausbaute. Laut dem Gesetzesentwurf soll die Schwelle künftig erst bei drei Prozent liegen. Zudem ist eine Saldierung vorgesehen: Erwirbt ein kontrollierender Aktionär etwa fünf Prozent der Aktien, verkauft im selben Jahr aber drei Prozent, sind für den Schwellenwert die saldierten zwei Prozent entscheidend. Eine Pflicht, den Kleinaktionären ein Angebot zu machen, bestünde dann nicht.

Gerade das wäre laut der Übernahmekommission aber problematisch. Denn Großaktionäre könnten so etwa kurz vor einer Abstimmung in der Hauptversammlung ihre Beteiligungen ausbauen, die Anteile danach aber wieder verkaufen. Zudem könnten sie Beteiligungen von kleineren "lästigen" Aktionärinnen übernehmen und stattdessen andere Aktienpakete veräußern. In beiden Fällen müssten sie aufgrund der Saldierung kein Pflichtangebot legen und könnten so den Minderheitenschutz umgehen.

WKO begrüßt Novelle

Laut dem zuständigen Justizministerium sollen mit der Reform die "im europäischen Vergleich eher strengen gesetzlichen Regelungen" zum Creeping-in beibehalten, aber "in Teilbereichen liberalisiert und für die Praxis besser handhabbar gemacht werden".

Erfreut über den Entwurf zeigten sich die Industriellenvereinigung und die Wirtschaftskammer. Für sie hätte die Reform sogar noch weiter gehen können: Die Anhebung der Schwellenwerte von zwei auf drei Prozent sei zwar zu begrüßen, besser noch wäre aber eine Anhebung um fünf Prozent gewesen. Das wäre "ein deutlicheres Signal in Richtung Liberalisierung".

Notwendig gemacht hatte die Reform des Übernahmegesetzes eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im vergangenen Herbst. Das EU-Höchstgericht attestierte der Übernahmekommission ein "Rechtsschutzdefizit", weil Entscheidungen nicht ordentlich überprüft werden konnten. Künftig gibt es nun eine neue gerichtliche Instanz beim Oberlandesgericht, die die Entscheidungen der Kommission umfassend prüfen kann.

Die Änderungen beim "Creeping-in" haben mit diesem ursprünglichen Grund für die Reform jedoch nichts zu tun. Sie sollen im Rahmen des Gesetzespakets zusätzlich beschlossen werden. (Jakob Pflügl, 10.5.2022)