So hatte sich Kanzler Karl Nehammer die Woche seiner Parteichefkür wohl eher nicht vorgestellt.

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Für die allermeisten im politischen Betrieb war es ein ganz normaler Montagmorgen. Elisabeth Köstinger, Landwirtschaftsministerin und enge Vertraute von Ex-Kanzler Sebastian Kurz, hatte ihren Entschluss schon vor längerer Zeit gefasst, aber dass sie am Montag ihr Amt zurücklegen würde, darüber informierte sie kaum jemanden. Sogar Kanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer soll sie erst in der Früh eröffnet haben, was sie in wenigen Stunden vorhatte. Und dann wurde es selbst für österreichische innenpolitische Verhältnisse das Gegenteil eines normalen Montags. Gleich zwei Ministerinnen traten schlussendlich zurück.

Wer was wusste

Auch Köstingers Büro im Landwirtschaftsministerium dürfte überrumpelt worden sein, wie DER STANDARD erfuhr. Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck, die seit geraumer Zeit als türkise Ablösekandidatin galt, soll am Vormittag sogar selbst noch nicht gewusst haben, dass sie am Nachmittag ihren Sessel räumen würde. Bei einem internen Treffen der Tiroler ÖVP habe sie die kursierenden Gerüchte noch abgetan: Für sie passe die Zusammenarbeit, aus ihrer Sicht werde sich nichts ändern. Um 15.36 Uhr war dann auch ihr Rücktritt offiziell.

Während Köstinger vor die Medien trat, verschickte Schramböck lediglich ein Video mit einer persönlichen Erklärung. Die Aufnahme dauert fünfeinhalb Minuten. Gleich zu Beginn stellt Schramböck ohne Umschweife dar, dass sie ihr Amt niederlegen wird. Grund nennt sie keinen. Anschließend blickt sie auf ihre Zeit als Ministerin zurück. Außenstehenden wird wohl vor allem das – von ihr unerwähnte – Desaster mit dem digitalen "Kaufhaus Österreich" im Gedächtnis bleiben.

Schramböck bedankt sich "ganz besonders" bei Sebastian Kurz, der sie einst in die Regierung holte; und zum Schluss auch beim amtierenden Kanzler und ihrem Team. "Es war mir eine Ehre", beendet sie ihr Statement. Auch Köstinger hatte sich ausführlich bei Kurz bedankt. Schon bei dessen Rücktritt sei für sie klar gewesen, dass sie die Politik verlassen werde. Nehammer hatte sie um eine Übergangsphase gebeten – die ist nun vorbei.

Die Rochade kommt der ÖVP nicht gelegen, das bestreiten nicht einmal türkise Strategen. Manche in der Partei sprechen offen von Chaos, Köstinger habe dem Kanzler mit ihrem abrupten Abgang keinen Gefallen getan. Am Samstag wird die ÖVP einen Parteitag abhalten, auf dem Nehammer offiziell zum Obmann gewählt werden soll. Er möchte dort auch eine Grundsatzrede halten.

Unklare Nachfolge

Offen blieb am Montag bis Redaktionsschluss, wer den beiden Ministerinnen nun nachfolgen wird. Im Gespräch ist Simone Schmiedtbauer als künftige Landwirtschaftsministerin. Die Landwirtin aus Graz ist seit 2019 Europaabgeordnete für die ÖVP. Davor war sie vor allem in der steirischen Lokalpolitik aktiv. Tief verwurzelt ist Schmiedtbauer im steirischen Bauernbund – also in jener ÖVP-Vorfeldorganisation, die bei der Nachfolgeentscheidung im Landwirtschaftsministerium nicht unerheblich sein wird. Auch Köstinger kommt aus dem Bauernbund.

Mit Schramböck geht hingegen eine Tirolerin – auch die schwarzen Bundesländer wollen bei den Neubesetzungen lautstark mitreden. Aus der Tiroler ÖVP ist zu hören, dass zumindest einer der beiden Posten mit jemandem aus Tirol besetzt werden müsse.

Die Rücktrittsgerüchte um Schramböck wurden schon vergangene Woche immer lauter. Als Nachfolgerinnen wurden die Tiroler Hotelchefin Martha Schultz und die in Tirol geborene Nationalratsabgeordnete Carmen Jeitler-Cincelli gehandelt. Schultz zumindest soll jedoch bereits abgewinkt haben. Weitere Kandidaten, die kursieren, sind der Tiroler Landtagsabgeordnete Mario Gerber und der Tiroler Wirtschaftskammerpräsident Christoph Walser. (Jan Michael Marchart, Katharina Mittelstaedt, Steffen Arora, 9.5.2022)