Der Verdacht sei, dass Wallner versucht habe, als Amtsträger Vorteile für die Vornahme von Amtsgeschäften zu fordern, heißt es von der Staatsanwaltschaft Feldkirch.

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Wien/Bregenz – Gegen Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) ermittelt nun die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, wie die Behörde am Dienstagmorgen dem STANDARD bestätigte. Bei Wallner geht es um Vorwürfe der Vorteilsannahme, bei Karlheinz Rüdisser und Marco Tittler (der ehemalige und der jetzige Wirtschaftslandesrat, beide ÖVP) um Vorteilsannahme zur Beeinflussung.

Die drei gelten als Verdächtige, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft am Dienstagvormittag. Nach der Teilabtretung des Falles von der Staatsanwaltschaft Feldkirch an die WKStA sei zunächst die Zuständigkeit geprüft worden und dann die Frage, ob ein Anfangsverdacht vorliegt. Nun werden Ermittlungen eingeleitet.

Was Wallner, Rüdisser und Tittler vorgeworfen wird

Anfang Mai war bekannt geworden, dass die WKStA untersucht, ob in der Vorarlberger Finanzaffäre ein Anfangsverdacht gegen Wallner, Rüdisser und Tittler vorliegt. Es steht der Verdacht im Raum, Wallner könnte versucht haben, als Amtsträger für die pflichtgemäße Vornahme von Amtsgeschäften Vorteile zu fordern, Rüdisser und Tittler könnten solche Vorteile angenommen haben.

Ein Unternehmer hatte gegenüber den "Vorarlberger Nachrichten" in einer eidesstattlichen Erklärung behauptet, Wallner habe um Inserate für die Wirtschaftsbund-Zeitung geworben und auch Gegenleistungen in Aussicht gestellt – was der Landeshauptmann als "glatte Lüge" scharf zurückgewiesen hat.

Bei Rüdisser und Tittler geht es um Barzahlungen aus der Wirtschaftsbund-Kassa in der Höhe von 5.000 bzw. 1.000 Euro. Aus den Belegen war zunächst nicht klar, wofür das Geld verwendet wurde. Die beiden Wirtschaftsbund-Mitglieder erklärten, dass damit für Verpflegung – Kaffee und Snacks – in ihrem Büro gesorgt worden sei. Wallner stellte später klar, dass das in Zukunft nicht mehr möglich sein werde und jeder Landesrat den Kaffee aus dem Landesbudget bezahlen müsse.

Wallner sieht Ermittlungen als Chance

Wallner sieht in den Ermittlungen die Möglichkeit, dem "politischen Hochschaukeln einer glatten Lügengeschichte gegen meine Person ein Ende zu setzen". Er habe nie ein Inserat verhandelt oder verkauft, auch keine Gegenleistung. "Das möchte ich ein für alle Mal klarstellen, und ich weise die anonymen Unterstellungen gegen mich auf das Schärfste zurück." Nicht einmal das Vorliegen der Erklärung diene als Grundlage für die Ermittlungen, "sondern nur Zeitungsberichte. Das muss ich wohl zur Kenntnis nehmen", übte der Landeshauptmann bei einer Pressekonferenz Kritik an der Ermittlungsbehörde.

Die Identität des Unternehmers ist den "Vorarlberger Nachrichten" bekannt, medial möchte der Mann aber anonym bleiben. Wallner geht davon aus, dass die anonymen Vorwürfe im Zuge des Ermittlungsverfahrens personalisiert werden. Nur so sei es möglich, die Anschuldigungen zu entkräften. Der Landeshauptmann sichert den Behörden außerdem die volle Kooperation bei der Aufklärungsarbeit zu. Erneut schließt er den Rechtsweg gegen "diese falschen Unterstellungen" nicht aus.

"Man muss Dinge erleben, die hat man nicht für möglich gehalten", zieht Wallner Bilanz über seine zehnjährige Amtszeit als Landeshauptmann. Die Ausübung des Amtes bereite ihm aber noch immer Freude. Dass wegen anonymer Anschuldigungen ein Ermittlungsverfahren aufgenommen werde, überrasche aber sehr, übt Wallner abermals Kritik an der Staatsanwaltschaft.

Aufregung um Datenlöschung

Es ist nicht die erste Meldung, die in Vorarlberg diese Woche für Aufregung sorgt. Am Montagabend berichtete die "ZiB 2" des ORF, dass kurz nach Bekanntwerden der Vorerhebungen der Korruptionsstaatsanwaltschaft in der Wirtschaftsbund-Affäre das Tablet und vielleicht auch das Handy von Landeshauptmann Wallner gelöscht worden seien. Zudem sei das Notebook der Büroleitung für kaputt erklärt worden. Das Büro des Landeshauptmanns teilte dem ORF schriftlich mit, dass es sich um einen Routinetausch gehandelt habe.

Büro liefert Timeline

Am Dienstag ergänzte ein Sprecher Wallners die genaue Timeline. Außerdem wird betont, dass Daten des Handys nicht gelöscht worden seien: "Das Altgerät ist nicht zurückgesetzt und befindet sich weiterhin beim Landeshauptmann." Das neue iPad sei bereits am 13. April geliefert worden. Am 19. April sei dieses synchronisiert und dem Landeshauptmann übergeben worden. "Das alte iPad wurde ordnungsgemäß zurückgesetzt der IT übergeben." Der Laptop der Büroleiterin sei bereits am 29. April bei der IT als kaputt gemeldet worden. "Noch am selben Tag wurde der Laptop der IT-Abteilung ordnungsgemäß und mit allen Daten übergeben."

Demnach dürfte der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Bekanntwerden der WKStA-Vorerhebungen zu Wallner und dem Tausch der Geräte – zumindest beim Laptop der Büroleiterin und beim Tablet – nicht ganz so eng sein. Allerdings: Dass die Staatsanwaltschaft Feldkirch einen Teil des Aktes an die WKStA abtritt, war freilich schon länger bekannt – nur dass es um Wallner geht, wurde erst am Abend des 5. Mai durch einen Bericht der "Vorarlberger Nachrichten" öffentlich.

Und: Beim Handy ist der zeitlich Zusammenhang offenbar gegeben, das zeigt auch ein Statement des grünen Landesrats Daniel Zadra. Zadra ist nicht nur Landesrat für Umwelt- und Klimaschutz, Energie und öffentlichen Verkehr, auch die IT-Abteilung des Landes gehört zu seinem Zuständigkeitsbereich. Als Vorgesetzter dieser Abteilung sei er über den Wunsch einer Löschung von Daten auf Geräten aus dem Büro des Landeshauptmanns informiert worden – und zwar am Freitag, sagt Zadra. Nach Rücksprache mit Juristen habe er diese Information an die Behörden weitergegeben und damit seine Verantwortung wahrgenommen.

Neos fordern sofortigen Rücktritt

Für die Neos und die SPÖ bringen die Gerätetausche das Fass zum Überlaufen: "Markus Wallner muss aufhören, die Menschen in Vorarlberg für dumm zu verkaufen. Der Versuch, nach Bekanntwerden der Vorerhebungen der WKStA offenbar Daten zu löschen, ist kein normaler Vorgang, sondern ein weiterer Rücktrittsgrund", ließ die pinke Klubobfrau Sabine Scheffknecht via Aussendung wissen. Wallner müsse zurücktreten – und zwar sofort.

Am Mittwoch Misstrauensvotum

Am Mittwoch wird bei der Landtagssitzung über den von der Opposition eingebrachte Misstrauensantrag gegen den Landeshauptmann abgestimmt. Mit einer Mehrheit ist allerdings nicht zu rechnen, obwohl die Grünen zuletzt ihre Zustimmung nicht mehr offen kommunizierten. Stattdessen betonte Zadra gegenüber der APA, dass das Abstimmungsverhalten noch nicht klar und außerdem Sache des Landtags sei. Zadras Vorgänger, der jetzige Gesundheitsminister Johannes Rauch, hatte vergangenes Wochenende in einem Interview noch davon gesprochen, dass die Grünen dem Misstrauensantrag selbstverständlich nicht zustimmen würden.

Wallner kann aber auch unabhängig von den grünen Abgeordneten noch mit einer Mehrheit rechnen: Der parteiunabhängige Abgeordnete Thomas Hopfner (ehemals SPÖ) hat bereits erklärt, den Misstrauensantrag nicht zu unterstützen. Die Opposition würde damit auf nicht mehr als 18 (von 36) Stimmen kommen. Sollten die Grünen Wallner aber tatsächlich das Vertrauen entziehen, könnte das das Ende der schwarz-grünen Regierung bedeuten. Damit würde das geplante strenge Parteienfinanzierungsgesetz – unter anderem mit mehr Prüfrechten für den Rechnungshof –, aber auch ein etwaiger Untersuchungsausschuss zur Causa Wirtschaftsbund vorerst auf Eis liegen.

Anfang Juni im U-Ausschuss

Anfang Juni soll Wallner dann im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss zu der Causa Wirtschaftsbund aussagen. Geladen sind da unter anderen auch der ehemalige Geschäftsführer des Wirtschaftsbunds, Jürgen Kessler, und der derzeitige interimistische Obmann Rüdisser.

Die Ladung in den Korruptions-Untersuchungsausschuss habe er noch nicht erhalten, sagt Rüdisser dem STANDARD. "Was über mich im Raum steht, entnehme ich den Medien. Mit mir hat niemand geredet." (Lara Hagen, 10.5.2022)