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Bernhard Raimann ist in der NFL gelandet.

Foto: Reuters/Lee

Bernhard Raimanns Mondlandung verzögerte sich. Alle Footballwelt hatte angenommen, dass Österreichs Pionier in der ersten, spätestens zweiten Runde des Drafts ein NFL-Team finden würde. Die Zeit verging, andere Spieler wurden ausgewählt, Raimann saß mit seiner Familie in Michigan auf der Couch und wartete ein Loch in die Luft. "Es war eine extrem stressige Situation", sagt der 24-Jährige. "Natürlich hat man diese blöden Gedanken: Oh nein, vielleicht werde ich nicht gedraftet. Ich musste ein paar Mal rausgehen, frische Luft schnappen."

In der dritten Runde läutete das Handy. Am Apparat: die Indianapolis Colts, konkret General Manager Chris Ballard, Head Coach Frank Reich und Teambesitzer Jim Irsay. Raimann: "Wenn endlich dieser Anruf kommt, fällt ein riesiger Stein vom Herzen." Als 77. Spieler im Draft 2022 und als erster Österreicher der NFL-Geschichte wurde Raimann ausgewählt. "Ein Wahnsinnsgefühl. Unbeschreiblich."

Für Raimann war die ganze Woche des Drafts eine "verrückte Zeit", die Stunden nach dem Draft waren selbstredend der Gipfel. "Zehn Minuten danach hatte ich schon den ersten Medientermin." Während der Online-Pressekonferenz mit Colts-Medien sei es "komplett rundgegangen, weil so viele Freunde und Verwandtschaft angerufen haben". Nach den Medienterminen war Zeit für die Familie: "Ich hab sie endlich mal in die Arme genommen und versucht, das ein bisschen zu realisieren." Dann: Rückrufe und eine schlaflose Nacht. "Man ist erledigt vom Abend, kann aber überhaupt nicht schlafen."

Abgesehen von ein paar Meetings war der Kontakt zum Team bisher lose. "Sie haben gesagt, ich soll diese Zeit noch genießen, weil es dann sehr stressig wird." Nun ist der Genuss vorbei, am Mittwoch zieht Raimann von Michigan nach Indiana. Am Donnerstag unterschreibt er einen Vierjahresvertrag über etwa 5,3 Millionen US-Dollar und bekommt eine Rückennummer, dann geht das erste Mini-Trainingslager für die Rookies los. "Dann ist jeden Tag von sieben Uhr Früh bis fünf Uhr Nachmittag Football angesagt, worauf ich mich riesig freue", sagt Raimann. Es folgen freiwillige Workouts, wobei das "freiwillig" für Neuzugänge dicke Anführungszeichen trägt.

Raimann fühlt sich wohl bei den Colts, spricht von einem "Spitzenteam", mit dem er sich Chancen auf die Super Bowl ausrechnet. "Ihnen gefällt, wie athletisch ich bin, aber ich muss viel an meiner Technik arbeiten." Der Offensive Tackle muss Quarterback-Routinier Matt Ryan den Rücken freihalten und Running-Back-Star Jonathan Taylor den Weg freiräumen, vor allem freut er sich auf die Zusammenarbeit mit dem herausragenden Offensive Guard Quenton Nelson. Zu den Colts hatten ihn auch viele Draft-Experten prognostiziert, allerdings schon eine Runde früher. Das auch finanziell schmerzhafte Abrutschen in Runde drei lag wohl auch an einer Tatsache, die in den Tagen vor dem Draft als Gerücht die Runde gemacht hatte. Raimann sei bei einigen Teams durch den Medizincheck gefallen, hatte die Website "Walter Football" berichtet.

"Über diese Monate vor dem Draft versuchen die Teams, so viele negative Sachen wie möglich zu finden. Man hat alle möglichen Scans, sie schauen sich jeden einzelnen Knorpel und Knochen im Körper an", erklärt Raimann auf Nachfrage des STANDARD. "Natürlich findet man in jedem Körper etwas, das falsch ist oder nicht ganz nach hundert Prozent aussieht, besonders wenn man schon einige Zeit Football gespielt hat." Subtext: so auch bei dem Zwei-Meter-Athleten. Für manche Teams sei das Gesehene akzeptabel gewesen, für andere nicht. "Man kann nur den anderen zeigen, was sie verpasst haben, dass sie mich nicht gedraftet haben." (Martin Schauhuber, 10.5.2022)