So könnte der jüngste Ichthyosaurier Österreichs ausgesehen haben. Auf Grundlage eines Schnauzenfundes erstellten Forschende in Zusammenarbeit mit einem Designunternehmen diese Rekonstruktion.
Bild: NHM Wien / Alexander Lukeneder / 7reasons

Es tümmelt sich im Alpenraum: Erst kürzlich berichteten Forschende von Schweizer Ichthyosaurierfunden, die auf ein enorm großes Exemplar schließen lassen. Das fossile Material wurde in diesem Fall schon vor Jahrzehnten gesammelt, doch erst jetzt stieß man bei genauerer Analyse auf die rekordverdächtigen Zahn- und Knochenreste. Auch am Wiener Naturhistorischen Museum (NHM) konnte ein Forschungsteam nun erstaunliche Spuren der urzeitlichen Meerestiere nachweisen, die jahrelang in den Sammlungen von Hobbypaläontologen lauerten.

Eine Studie aus dem Jahr 2019 ließ die Finder aufhorchen und sich an die Expertinnen und Experten wenden. Damals wurde erstmals die Entdeckung eines Pliosauriers in Österreich öffentlich. Dies veranlasste Karl Bösendorfer aus Pinsdorf (Oberösterreich) und Alfred Leiblfinger aus Golling (Salzburg), von ihnen ausgegrabene Fossilien erneut unter die Lupe zu nehmen. Auf diese waren sie in Kalken der Schrambach-Formation beziehungsweise im Sandstein der Rossfeld-Formation gestoßen.

Die jüngsten Ichthyosaurier

Während sich unter den Schweizer "Fischsauriern" auch der größte Vertreter befinden könnte, der bisher entdeckt wurde – wobei die Rekonstruktion der Körperlänge auf der Basis eines Zahnes ein gewisses Risiko birgt –, so stellen die österreichischen Funde zumindest einen nationalen Rekord auf. Es handelt sich nämlich um die jüngsten Ichthyosaurier des Landes.

In dieser Tatsache ist auch die Überraschung über die Zähne mehrerer Individuen verwurzelt, über die das Forschungsteam im Fachjournal "Cretaceous Research" berichtet. Solche Fossilien aus der Kreidezeit sind nämlich sehr rar, sagt der Erstautor Alexander Lukeneder vom Naturhistorischen Museum. Aus den geologischen Epochen der Trias (rund 250 bis 200 Millionen Jahre vor unserer Zeit) und des Jura (vor rund 200 bis 145 Millionen Jahren) gab es bisher bereits Ichthyosaurierfunde aus Österreich – aus der Kreide waren bis jetzt keine bekannt. Der entdeckte Einzelzahn aus Salzburg ist mit einem Alter von ungefähr 132 Millionen Jahren also wesentlich "frischer" als frühere Funde, die aufgestöberte Saurierschnauze aus Oberösterreich sogar nur 130 Millionen Jahre alt.

Die Zähne des 130 Millionen Jahre alten Sauriers – hier in der 3D-Rekonstruktion des Fundstücks – hätte man ohne genaue Analyse für Muscheln halten können.
Bild: NHM Wien, Alexander Lukeneder

Rekonstruktion in 3D

Hätte man die nunmehr vorgestellten Fossilien nicht genauer analysiert, wäre das Schnauzenstück vermutlich eher für Muschelreste gehalten worden. Niemand habe damit gerechnet, dass sich in Relikten dieser Zeit Ichthyosaurierreste finden ließen, sagt Lukeneder. In langwierigeren Arbeiten wurde dann aber klar, dass sich in dem jüngeren Fund tatsächlich Zähne befinden. Über zwei Jahre Forschungstätigkeit konnte der Inhalt der Gesteinsprobe in 3D rekonstruiert werden.

Während der nunmehr am Salzburger Haus der Natur befindliche Einzelzahn auf einen Saurier mit der Größe von 1,5 bis zwei Metern schließen lasse, stammen die Schnauzenrelikte – mit mehr als zehn Zähnen, die bis zu drei Zentimeter groß sind – vermutlich von einem Tier mit rund vier Metern Länge. Studienautor Nikolay Zverkov vom Geologischen Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften konnte bei der Zuordnung der gefundenen Strukturen helfen.

Im Gebirge versteckte Meerestiere

Ichthyo- und Pliosaurier waren in den Urmeeren, deren Böden heute Bergregionen bilden, vermutlich Nahrungskonkurrenten, die beide Ammoniten, Tintenfische oder kleine Urhaie jagten. In der Jura- und Triaszeit brachten es Ichthyosaurier mitunter auf Längen von bis zu 18 Metern und ein Gewicht von 40 Tonnen. In der Kreidezeit waren die delfinartig aussehenden Reptilien dann schon deutlich kleiner. Ihr Ende fanden sie übrigens nicht mit dem Meteoriteneinschlag vor rund 66 Millionen Jahren, der die Saurier dahinraffte. Schon ungefähr ab der Zeit vor 93 Millionen Jahren findet man nämlich keine Fossilien mehr von ihnen – warum, ist noch unklar.

Der Zahn stammt von einem 132 Millionen Jahre alten Ichthyosaurier.
Bild: NHM Wien / Alexander Lukeneder

Gerade der "jüngere" Fund aus Oberösterreich lasse darauf schließen, dass sich weitere Reste der Tiere noch in den hiesigen Gesteinsformationen finden könnten, sagt Lukeneder. Diese seien aber extrem schwer zugänglich. Ob es sich bei den österreichischen Funden um Hinweise auf neue Arten handeln könnte, lasse sich aufgrund der wenigen Reste nicht seriös angeben.

Die Forschenden sind aber positiv gestimmt: Zuvor habe man gedacht, dass das Konservierungsumfeld in der Kreidezeit in der Region zu sauer war, als dass sich noch Knochen finden lassen, "aber man sieht, dass eindeutig die Strukturen da sind", sagt Lukeneder. Die Möglichkeiten der 3D-Rekonstruktion in Gesteinsproben helfen dabei, auch jenen Materialien, die schwierig zu präparieren sind, ihre fossilen Geheimnisse zu entlocken. (sic, APA, 10.5.2022)