Anfang des Jahres ließ Italien damit aufhorchen, dass man den Espresso ganz offiziell auf der Weltkulturerbe-Liste der Unesco sehen möchte. Immerhin gehört der Caffè zur Lebenskultur der Italienerinnen und Italiener und soll als immaterielles Kulturerbe geschützt werden. So wie die neapolitanische Pizza – aber dazu gleich.

Tatsächlich gibt es bereits 25 amtliche von der Unesco anerkannte Essenskulturen. Aus dieser Liste haben wir elf landestypische Speisen ausgewählt. Sozusagen als alternative Bucket-List für eine kulinarische Weltreise.

Neapolitanische Pizza (Italien)

Der italienische Espresso hat es noch nicht auf die Liste geschafft, dafür aber die Pizza napoletana. Sie wurde 2017 von der Unesco offiziell als Kulturerbe der Menschheit anerkannt. Es sei unbestreitbar, dass das gastronomische Know-how rund um die Pizzaproduktion ein Kulturerbe sei, kommentierte der Unesco-Ausschuss diese Entscheidung.

Pizza napoletana.
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Das Backen sei ein Ritual, Pizzaiuoli würden sich dabei wie auf einer Bühne bewegen. Es sei ein wesentlicher Bestandteil der neapolitanischen Kultur und Identität. Wer sich einmal persönlich davon überzeugen möchte, sollte also nach Neapel reisen. Immerhin soll es in der Stadt 3.000 Pizzaiuoli geben. Es gibt auch einen offiziellen Verband der Pizzaiuolo in Italien, was beweist, dass es den Italienern mit ihrem Essen wirklich ernst ist.

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Türkische Kaffeekultur (Türkei)

Was die Italiener noch erreichen möchten, ist den Türken bereits gelungen: Seit 2013 ist die Türkei stolz darauf, dass ihre reiche Kaffeekultur in die Unesco-Liste aufgenommen wurde. Türkische Familien betrachten ihren Kaffee nicht nur als schnellen Muntermacher am Morgen, sondern auch als einen gemeinschaftlichen und traditionellen Schatz, der bewahrt werden muss.

Die türkische Kaffeetradition symbolisiert Gastfreundschaft.
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Alle Elemente der Zubereitung eines frischen türkischen Kaffees seien es wert, in die Unesco-Liste aufgenommen zu werden, hieß es damals: Frisch geröstete Bohnen, das Aufbrühen des Kaffees in einer traditionellen Cezve (Kanne) und das abschließende Servieren und Teilen des Kaffees werden als schützenswerte Kultur angesehen. Die türkische Kaffeetradition symbolisiere Gastfreundschaft.

Deutsches Brot (Deutschland)

Im Jahr 2014 konnten die Bäcker in Deutschland einen kleinen Sieg erringen, als das deutsche Brot in die Unesco-Liste der immateriellen Kultur aufgenommen wurde. Mit mehr als 3.000 Brotsorten hoffen die Bäckereien in Deutschland, dass diese Anerkennung künftige Generationen ermutigt, die Tradition der Brotherstellung fortzuführen.

Brot ist tief in der deutschen Kultur verankert.
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Handwerklich hergestelltes Brot bedeute für ihn pure Ess- und Genusskultur, wird Starkoch Tim Mälzer zitiert: "Eines der wichtigsten Mahlzeiten ist für mich das klassische Abendbrot, mit dem ich sehr viele schöne Erinnerungen verbinde. Aber auch in der Gastronomie erlebe ich, dass der Geruch von ofenwarmen Brot auf dem Tisch etwas ist, was die Leute wirklich begeistert", sagt der "Botschafter des Deutschen Brotes" anno 2014. Brot ist offensichtlich tief in der deutschen Kultur verwurzelt: Sei es das gemeinsame Frühstück im Kreise der Familie, das Abendbrot, oder auch die Brotzeit zwischendurch: Der gemeinsame Genuss von Brot war und ist nicht nur vielfach namengebend für gesellige Runden, sondern habe stets einen hohen Stellenwert im sozialen Austausch von Familien und Gruppen, stellt die Unesco fest.

Französische Küche (Frankreich)

Die französische Küche gilt vielen als die Krönung der Kochkunst. Eine Einschätzung, die seit 2010 auch die Unesco teilt, als sie die "Cuisine française" als immaterielles Weltkulturerbe unter Schutz stellte. Die französische Küche sei in ihrer Heimat die gebräuchlichste Art, die wichtigsten Momente im Leben zu feiern, hieß es.

Das Baguette will auch auf die Liste.
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Es sei mehr als nur ein eiliges Abendessen mit der Familie vor dem Fernseher. Die gastronomische Mahlzeit sollte eine feste Struktur haben, die mit einem Aperitif beginnt und mit einem Likör endet und dazwischen mindestens vier aufeinanderfolgende Gänge enthält, nämlich eine Vorspeise, Fisch und/oder Fleisch mit Gemüse, Käse und ein Dessert. Die französische Küche war übrigens die erste Landesküche, die als Kulturerbe anerkannt wurde.

Kimchi (Korea)

Im letzten Jahrzehnt wurde die Welt von einem Hype rund um fermentierte Lebensmittel erfasst, wobei sich das koreanische Kimchi besonders hervorgetan hat. Kimchi ist auf jedem koreanischen Tisch unverzichtbar und besteht aus Gemüse, das in koreanischen Gewürzen eingelegt wird und in Kesseln, den sogenannten Onggi, gärt.

Szenen vom Kimchi-Festival in Seoul im Dezember 2021.
Foto: AFP/Anthony WALLACE

Aufgrund der regionalen Unterschiede im Land betrachten die Koreaner Kimchi als Teil ihrer Identität und betonen mit jeder einzigartigen Mischung die Tradition ihrer Region und ihrer Familie. Kimchi-Rezepte gelten als heilig und werden nur von der Mutter an die Tochter oder Schwiegertochter weitergegeben. Seit 2013 sind Kimchi und dessen Herstellung und alles, was dazugehört, immaterielles Unesco-Weltkulturerbe.

Palov (Usbekistan)

Palov ist ein traditionelles Gericht, das in ländlichen und städtischen Gemeinden zubereitet wird und das Nationalgericht von Tadschikistan und Usbekistan ist. Das aus Reis, Fleisch, Gewürzen und Gemüse zubereitete Gericht gilt als Geste der Gastfreundschaft und wird sowohl bei einfachen Familienfesten als auch bei besonderen Anlässen wie Hochzeiten gegessen.

Palov oder Plov.
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Das bekannteste Palov (oder Plov, manchmal auch Osh genannt) wird am Neujahrstag gegessen und soll Einigkeit, Freundschaft und Glück für das kommende Jahr symbolisieren. 2016 wurde die Speise in die Liste aufgenommen.

Washoku (Japan)

Die Unesco sieht in Washoku eine Feier der Traditionen und des Know-hows des japanischen Volkes: Washoku sei eine soziale Praxis, die auf einer Reihe von Fähigkeiten, Kenntnissen, Praktiken und Traditionen im Zusammenhang mit der Erzeugung, Verarbeitung, Zubereitung und dem Verzehr von Lebensmitteln beruht, heißt es. "Es wird mit einem grundlegenden Geist des Respekts vor der Natur assoziiert, der eng mit der nachhaltigen Nutzung der natürlichen Ressourcen verbunden ist. Das grundlegende Wissen und die sozialen und kulturellen Merkmale, die mit Washoku verbunden sind, werden typischerweise während der Neujahrsfeiern vermittelt."

Ein weiterer wichtiger Aspekt von Washoku ist die Kombination verschiedener Zutaten, um eine Harmonie zwischen Farben und Geschmack zu schaffen.
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Zur Begrüßung des neuen Jahres werden Reiskuchen gemampft und Nudeln für ein langes Leben gegessen, wobei jedes Gericht seine eigene Bedeutung hat. Die Großeltern geben ihr Wissen an die jüngeren Generationen weiter und ermutigen alle Generationen, diese Aktivitäten zu erlernen, zu schätzen und schließlich über viele Jahre hinweg weiterzugeben.

Qvevri-Weinherstellung (Georgien)

Eine spezielle Art der Weinproduktion wird in Georgien praktiziert, und nur dort. Bei der Qvevri-Weinherstellung verwenden die Dorfgemeinschaften einzigartige Traubensorten und Utensilien, um ein ganz besonderes Getränk herzustellen.

Statt in Fässern reift der Wein in Qvevri, einem eiförmigen Tongefäß.
Foto: Getty Images/iStockphoto/Radiokukka

Das Wissen und die Erfahrung mit Qvevri-Wein werden von Generation zu Generation weitergegeben, was auch die Weinherstellung und die Pflege der Weinberge durch die enormen Jahreszeiten einschließt. Statt in Fässern reift der Wein in Qvevri, einem eiförmigen Tongefäß. Wein spielt im Alltag der Georgier eine wichtige Rolle, und der Weinkeller gilt als einer der heiligsten Orte im Haus der Familie. 2013 wurde diese traditionelle Art der Weinherstellung in die Unesco-Liste aufgenommen.

Couscous (Algerien, Marokko, Mauretanien und Tunesien)

Couscous ist fest in der Kultur der Menschen in Algerien, Mauretanien, Marokko und Tunesien verwurzelt. Kein Wunder, dass diese vier Länder für den Weltkulturerbestatus des Gerichts samt seiner Herstellung warben. Mit Erfolg.

Couscous-Festival in Algier, 2019.
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Die Unesco nahm Couscous in die Liste auf, nicht nur weil es Millionen Menschen ernährt, sondern weil das Gericht eben weil auch ein Sinnbild für eine länderübergreifende Essenskultur ist. Für die Tunesier steht Couscous zum Beispiel für Solidarität, Geselligkeit und Zusammengehörigkeit, aber vor allem für ein köstliches Familienessen, das alle sattmacht.

Joumou-Suppe (Haiti)

Die Haitianer essen die Joumou-Suppe am 1. Jänner, dem Jahrestag der Befreiung Haitis von Frankreich (1804), wobei die Suppe Freiheit, Widerstandsfähigkeit und Würde symbolisiert. Die Suppe wird aus dem Turbankürbis (franz. Giraumon) sowie Kochbananen, Fleisch und feurigen Gewürzen zubereitet und ist ein scharfes und würziges Gericht, das Freunde und Familie gemeinsam am Tisch genießen, um Einigkeit, Frieden und Solidarität zu demonstrieren. Sie ist auch ein traditionelles Sonntagsfrühstück.

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Heute findet man in der karibischen und lateinamerikanischen Küche verschiedene Varianten der Suppe, liest man im entsprechenden Eintrag der Unesco.

Hawker-Kultur (Singapur)

Die Hawker-Kultur, also Imbisskultur, zelebriert Streetfood in Singapur. Die Hawker halten mit Wok und Kochlöffel die verschiedenen Ethnien des Vielvölkerstaats zusammen. Hawker-Zentren sind überall im Stadtstaat zu finden und gelten als gemeinschaftliche Speiseräume, in denen der vielfältige Schmelztiegel der Metropole Köche, Küchenchefs und Feinschmecker mit unterschiedlichem Hintergrund vereint, darunter Chinesen, Malaysier, Inder und Singapurer.

Streetfood in Singapur: kulinarischer Schmelztiegel der verschiedenen Ethnien.
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Die Streetfood-Kultur ist so typisch für Singapur wie das Kimchi für Korea oder die Brotbackkunst für Deutschland – fand auch die Unesco. Serviert werden unter anderem Char Kway Teow, Rojak, Bak Kut Teh oder Laksa. Dahinter verbergen sich gebratene Reisnudeln, ein Gemüseobstsalat mit Erdnüssen, Schweinerippensuppe und eine scharfe Nudelsuppe mit Krabben und Muscheln in Kokosmilch. (red, 12.5.2022)