Laut WHO leiden 190 Millionen Frauen an Endometriose. Dabei führt schleimhautähnliches Gewebe außerhalb der Gebärmutter, das während der Periode blutet, zu krampfartigen Schmerzen.

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Eigentlich hatte sie sich selbst nicht als besonders empfindlich eingeschätzt. Aber irgendwann fragte sich Kathrin Pree: "Bin ich wirklich so eine Heulsuse?" Denn mit den für sie kaum erträglichen Schmerzen während ihrer Menstruation stieß sie in ihrem Umfeld auf wenig Verständnis. Regelschmerzen? Das haben wir doch alle, das muss man aushalten, hörte sie regelmäßig – von Bekannten, aber auch von Fachleuten, erinnert sie sich: "Ein Arzt hat zu mir gesagt: ‚Nehmen S’ noch eine Weile die Pille, dann suchen S’ Ihnen einen lieben Freund, und dann machen Sie Familienplanung‘, während er kommentarlos Schmerzmittel verschrieben hat." Endometriose als Grund für ihre Beschwerden? Davon war lange nicht die Rede.

Wie Pree geht es vielen Betroffenen. Ärztinnen und Ärzte erkennen die Krankheit oft gar nicht oder sehr spät. Von den ersten Anzeichen einer Endometriose bis zur Diagnose dauert es im Schnitt neun Jahre, zeigen Studien. Dabei leiden laut WHO 190 Millionen Frauen im gebärfähigen Alter daran, das ist jede zehnte Frau.

Trotzdem fühlen sich Betroffene häufig alleine gelassen und nicht ernst genommen: "Regelschmerzen werden nach wie vor zu häufig als etwas Normales eingeschätzt", sagt Elisabeth Janschek, Leiterin des Endometriosezentrums Villach. Dabei ist die Krankheit oft viel mehr als bloße Regelschmerzen. Manche Betroffenen leiden so stark, dass sie während der Menstruation tagelang ausfallen. "Die Lebensqualität ist massiv eingeschränkt, sowohl körperlich als auch psychisch", sagt die Expertin.

Viele Formen der Krankheit

Ursache der Krankheit sind gebärmutterschleimhautähnliche Zellen außerhalb des Uterus. Janschek: "Endometriose ist eine grundsätzlich gutartige Erkrankung, bei der Schleimhaut oder schleimhautähnliches Gewebe, das sich eigentlich innerhalb der Gebärmutterhöhle entwickelt, an anderen Stellen entsteht."

Das wuchernde Gewebe blutet während der Menstruation, das Blut kann aber von außerhalb der Gebärmutter nicht abfließen. Deshalb bilden sich Zysten, Verwachsungen, Entzündungen und Vernarbungen. Das Gewebe kann sogar in andere Organe wie die Harnblase oder den Darm hineinwachsen. Das macht das Krankheitsbild komplex. "Endometriose hat extrem viele Gesichter, unterschiedliche Formen und Symptome", sagt Janschek über das "Chamäleon" der Medizin. Weil das Krankheitsbild so vielfältig ist, dauere auch die Diagnose so lang.

In Prees Fall kam die Diagnose im September 2009 – per Zufall nach einer Notoperation wegen einer Eileiterschwangerschaft. Wobei die Diagnose per se keine Lösung des Problems bedeutet, denn die Behandlungsmöglichkeiten sind spärlich. Pille nehmen oder schwanger werden waren ihre Optionen, erinnert sie sich: "Ich fühlte mich wie das Kaninchen vor der Schlange. Oder vor zwei Schlangen eigentlich. Auf der einen Seite die Beschwerden der Endometriose und die dadurch drohende Unfruchtbarkeit. Auf der anderen Seite Operation und künstliche Hormone."

Expertin Janschek bestätigt die schmale Palette der Behandlungsmöglichkeiten. Das liegt auch an zu wenig Wissen aus der Forschung: "Es gibt nicht den einen richtigen Behandlungsfahrplan, weil wir noch nicht entdeckt haben, weshalb Endometriose entsteht."

Krankheiten, die vermehrt bei Frauen auftreten, sind generell sehr viel schlechter erforscht, zeigt die Gendermedizin. Systemische Ungleichheiten müssen in vielen Fällen individuell von Frauen ausgeglichen werden, wie Prees Fall zeigt. "Endometriose in Schach zu halten ist teuer und zeitintensiv. Es ist wie ein Nebenjob, der zusätzlich Geld gekostet hat", erzählt sie. Wie viel ungefähr, hat sie zusammengerechnet: "Über die Jahre habe ich locker 16.000 Euro gebraucht. Und das ist konservativ gerechnet."

Suche nach Alternativen

Pille oder Schwangerschaft, beides war für Kathrin Pree keine Option. Sie machte sich auf die Suche nach Alternativen. Über Jahre hinweg probierte sie alles von Selbsthilfeübungen bis zur Ernährungsumstellung. Ein wichtiger und richtiger Zugang, findet Janschek: "Neben adäquater schulmedizinischer Behandlung ist es wichtig, dass Betroffene nicht in die Passivität gedrängt werden."

Studien haben gezeigt, dass Stress möglicherweise ein Trigger für das Aufflackern von Endometriose ist. "Wärme, Traditionelle Chinesische Medizin, meditativer Sport, Maßnahmen zur Stressbewältigung, all das kann helfen", sagt Janschek. Es sei wichtig, dass Betroffene nicht in eine Schmerzschleife kommen. Was hilft, sei erlaubt, denn immer wieder Schmerzen zu bekommen bedeutet für den Körper vor allem eines: Stress. (Magdalena Pötsch, 12.5.2022)