Der spanische Spionageskandal "Catalan Gate" fordert ein erstes Opfer: Die Regierung des Sozialisten Pedro Sánchez entlässt Geheimdienstchefin Paz Esteban. Sie hatte erst vergangene Woche vor dem Geheimdienstausschuss des Parlaments eingestanden, dass der Geheimdienst CNI die Handys von katalanischen Unabhängigkeitspolitikern und Aktivisten, darunter der katalanische Regierungschef Pere Aragonès, mittels der israelischen Software Pegasus bespitzelt hat. Medienberichten zufolge legte sie dem Ausschuss richterliche Dokumente mit 18 Namen und weiteren zehn geschwärzten Identitäten vor. Esteban war seit 2020 im Amt.

Geheimdienstchefin Paz Esteban ist ihren Job nach knapp zwei Jahren los.
Foto: EPA/JUAN CARLOS HIDALGO

Bleibt offen, wer die restlichen der insgesamt 65 Katalanen aushorchte, auf deren Smartphones die kanadische Cybersicherheitsorganisation Citizen Lab Hinweise auf eine Pegasus-Infizierung gefunden hat. Anwälte der Betroffenen – zum Teil selbst Opfer des Lauschangriffs – vermuten hinter der Aktion Teile des spanischen Sicherheitsapparats, die außerhalb richterlicher Kontrolle gegen die Separatisten agieren.

Außerdem ist weiterhin ungeklärt, wie Pegasus auf die Handys von Regierungschef Sánchez, Verteidigungsministerin Margarita Robles und Innenminister Fernando Grande-Marlaska gelangte. Medien vermuten Marokko hinter diesen Attacken.

Neue Führung für Geheimdienst

Esperanza Casteleiro wird nun die Leitung des CNI übernehmen. Sie ist seit Juli 2020 Staatssekretärin im Verteidigungsministerium und verfügt über Erfahrung im CNI, zwischen 2004 und 2008 war sie Generalsekretärin des Geheimdiensts.

Verteidigungsministerin Robles versuchte am Dienstag die Nachricht von Estebans Entlassung herunterzuspielen. Es sei "die Ablösung einer Beamtin durch eine andere". Robles verteidigte einmal mehr die Ausspionierung der katalanischen Politiker und Aktivisten. Diese sei "mehr als gerechtfertigt" gewesen, man habe über eine gerichtliche Genehmigung verfügt. "Gegen niemanden in diesem Land wird wegen seiner politischen Ansichten ermittelt. Wir arbeiten für diese Freiheit", sagte sie auf einer Pressekonferenz.

Diese Erklärung ist wohl kaum dazu geeignet, die Gemüter zu beruhigen. "Catalan Gate" gefährdet die Stabilität der spanischen Minderheitsregierung. Sánchez ist auf die Unterstützung von Aragonès' katalanischer ERC angewiesen. Dieser verlangt, dass alle Dokumente über die Bespitzelung offengelegt werden. Außerdem werden Rufe nach einem Rücktritt von Verteidigungsministerin Robles immer lauter. (Reiner Wandler aus Madrid, 10.5.2022)