Vor seinem Unfall war Egan Bernal einer der besten Radfahrer der Welt.

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Im Jänner prallte er bei einer Trainingsfahrt in einen stehenden Bus: "Ich wäre fast gestorben".

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Den Rollstuhl konnte er nach kurzer Zeit mit dem Rennrad tauschen.

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Die härteste Prüfung? Da kommen Egan Bernal keine Bergetappen bei den größten Radrundfahrten der Welt in den Sinn. Schon eher, dass sich der 25-jährige Kolumbianer aus dem Krankenbett wieder aufrichten konnte. "Das war meine größte Leistung." Dass Bernal wieder auf einem Drahtesel sitzt, ist ein Wunder. "Was für ein Glück, dass Egan wieder laufen, sich ein Brot schmieren, duschen und Zähne putzen kann", sagte der deutsche Ex-Radprofi Jens Voigt.

Egan Bernal, der Radsport-Star aus Kolumbien, Gewinner der Tour de France 2019 und Giro-Sieger 2021, wäre am 24. Jänner fast im Rollstuhl gelandet, nachdem er beim Training in seiner Heimat mit dem Zeitfahrrad in einen stehenden Bus gekracht war. Dabei hatte sich Bernal 20 Knochenbrüche zugezogen, unter anderem elf Rippen, zwei Wirbel, einen Oberschenkel und eine Kniescheibe. Zudem wurden beide Lungenflügel perforiert. Und ja, er schlug sich auch einen Zahn aus. Ein geradezu nebensächliches Detail. Bernal selbst hatte seine Chance, nicht querschnittsgelähmt zu sein, auf nur fünf Prozent beziffert. Das ist nicht viel.

Das war vor vier Monaten. Seit einer Woche ist Bernal wieder in Europa radelnd unterwegs und sein jüngstes Twitter-Video zeigt ihn beim Training aus dem Sattel steigend. "Zum ersten Mal stehend auf den Pedalen."

Freilich wäre Bernal einer der Mitfavoriten auf den Giro d'Italia 2022 gewesen, nun ist er der glücklichste Mensch ohne große Bühne, wie er selbst einmal sagte. Vor wenigen Wochen hatte der ihn behandelnde Neurochirurg Gustavo Uriza verkündet, dass sein Patient aus medizinischer Sicht wieder gesund ist und innerhalb weniger Wochen wieder Rennen fahren könne. Sein Team Ineos Grenadiers will den Kolumbianer aber bremsen. Über ein Comeback bei der Tour de France wurde bereits gemunkelt. Laut Ex-Profi-Voigt sollte Bernal aber heuer noch eine große Tour in Angriff nehmen, möglicherweise die Vuelta. "Ein gestandener Profi und Tour-Sieger wie Egan wird nicht besser, wenn er bei Rund um den Kirchturm, Rund um das Kloster oder Rund um den Dorfplatz startet."

Die ersten Videos von Bernal nach seinem Unfall waren gespenstisch. Ein spindeldürrer Mann wankt durch eine Tür, mit einem Hals-Rücken-Protektor. Auf dem Ergometer saß er in seinem Wohnzimmer, mit Narben übersät. Ob man nach so einem Unfall wieder stundenlange Strapazen im Radsport aushalten kann?

2019 flog der Brite Christopher Froome bei einer Streckenbesichtigungsfahrt zum Criterium de Dauphiné in eine Hauswand, nachdem er von einer Windböe erfasst worden war. Froome wollte sich in dem Moment die Nase putzen. Und brach sich stattdessen die Hüfte, Oberschenkel, Ellenbogen. Seine alte Form erreichte der vierfache Tour de France-Sieger nie wieder.

"Ein baldiges Comeback wäre ein Traum", erklärte Bernal vor etwa zwei Wochen auf einer Pressekonferenz. "Ich traue mich aber nicht, ein Datum zu nennen. Das wäre ein wenig unverantwortlich."

Mittlerweile trainiert Bernal wieder mit seinem Team in Europa. Die Wochen zuvor freute er sich, dass er das Tempo seiner Trainingspartnerin mitgehen konnte. Wer das war? "Meine Mutter". (Florian Vetter, 11.5.2022)