Finanzminister Magnus Brunner und Börsenchef Christoph Boschan stehen in Gesprächen wegen Steuererleichterungen für Private.

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In der Wiener Börse ist man hin- und hergerissen zwischen den Ankündigungen der heimischen Politik. Auf der einen Seite erhofft Börsenchef Christoph Boschan auf eine baldige Umsetzung der im Regierungsprogramm vorgesehenen Steuererleichterungen für Private. Auf der anderen Seite beklagt er erhebliche und anhaltende Vermögensverluste bei notierten Staatsunternehmen wie dem Verbund, nachdem Bundeskanzler Karl Nehammer eine Abschöpfung von Zusatzgewinnen ins Spiel gebracht hat.

Schaden abwenden

Boschan fordert nun eine "Klarstellung, dass hier Rechtssicherheit herrscht und der Investitionsstandort sicher ist" – nicht zuletzt, um weiteren Schaden am Staatsvermögen abzuwenden. "Keine Frage, das braucht es jetzt", betont der Börsenchef. Die Verbund-Aktie ist seit Nehammers Vorstoß um mehr als 17 Prozent eingebrochen, was den Börsenwert des Stromversorgers etwa fünf Milliarden Euro verringerte.

Dabei geht Boschan davon aus, dass es sich bei den Aussagen des Bundeskanzlers um eine "sprachliche Unschärfe" gehandelt hat. Der Verbund stehe zu 80 Prozent im Eigentum der öffentlichen Hand. Es stehe dem Staat, der direkt mit 51 Prozent beteiligt ist, frei, seinen Einfluss auf die Dividendenpolitik geltend zu machen. Also die Gewinnausschüttungen zu erhöhen und der Bevölkerung zukommen zu lassen.

Behaltefrist noch heuer

"Noch heuer" erwartet der Börsenchef die Wiedereinführung einer gewissen Behaltedauer, nach der Privatanleger Kursgewinne von Wertpapieren steuerfrei lukrieren können. "Das ist der Infostand, den wir haben." Man stehe in ständigem Austausch mit Finanzminister Magnus Brunner und hoffe, dass bald gehandelt wird. Noch unterliegen alle Erträge, auch Kursgewinne unabhängig von der Behaltedauer, der 27,5-prozentigen Wertpapier-KESt.

Gestiegen ist Boschan zufolge das Interesse der Bevölkerung an Aktien, besonders unter jungen Leuten – wohl nicht zuletzt dank des ertragreichen Vorjahrs. Inklusive Dividenden hat der Leitindex ATX 2021 eine ungewöhnlich hohe Rendite von 43,6 Prozent eingespielt. "Solche Marktphasen sind extrem positiv, weil sie viele neue Anleger aktivieren", sagt Boschan. Im langfristigen Mittel spielt der Index ihm zufolge 6,7 Prozent pro Jahr ein.

Investitionen in Zukunft

Angelika Sommer-Hemetsberger, stellvertretende Aufsichtsratschefin der Börse, betont die Bedeutung des Finanzmarkts für notwendige Investitionen in die Zukunft, etwa bei der Energiewende. Diese könnte die öffentliche Hand nicht alleine tragen. "Es ist notwendig, privates Kapital mitaufzunehmen, um das gemeinsam zu stemmen", sagt Sommer-Hemetsberger. "Wenn eine Volkswirtschaft einen starken Kapitalmarkt hat, kann sie sich leichter in Transformationen umstellen." (Alexander Hahn, 10.5.2022)