Wanda Moser-Heindl hat vor über 20 Jahren die Unruhestiftung gegründet.

Foto: Clemens Fabry

Wie viele Stifterinnen, die eine sinnvolle Aufgabe für ihre gemeinnützige Tätigkeit suchen, brauchte auch Wanda Moser-Heindl eine Phase des Ausprobierens. Bereits im Jahr 2000 hatte die Unternehmensberaterin die Unruhe-Stiftung zusammen mit ihrem inzwischen verstorbenen Mann Fritz, einem Physiker, gegründet. Das Gründungskapital kam aus einer Erbschaft, "wir wollten mit dem Geld, das wir nicht für uns brauchen, Sinnvolles tun. Fritz hat immer das physikalische Moment der Unruhe interessiert, aus dem Neues entsteht", beschreibt Moser-Heindl.

Sehr rasch entdeckten auch die Mosers, dass ihr Stiftungskapital für die direkte Finanzierung von Projekten für bedürftige Menschen nicht reicht. Vorbilder hatten sie keine, ihre Entwicklung war "Learning by doing", beschreibt die Stifterin. Aus den Anträgen vieler einzelner Projekte um Unterstützung entstand die Einsicht, dass ihnen selbst die Expertise zur Beurteilung fehlte. Daraus entstand die Idee, soziale Innovationen mit Preisgeldern auszuzeichnen. Die Beurteilung sollten Experten übernehmen. 2005 ging schließlich die SozialMarie das erste Mal über die Bühne.

Eine Art Gütesiegel

In den 18 Jahren der Vergabe dieses "Gütesiegels für soziale Innovation" wurde die SozialMarie zu einer Institution der gemeinnützigen Szene. Galt ursprünglich die Qualifikation "im Umkreis von 300 Kilometern von Wien" als geografisches Kriterium zur Einreichung – "wir wollten in der Lage sein, uns zusammen mit Expertinnen und der Jury von den Projekten selbst einen Eindruck zu verschaffen" – so werden die Preise inzwischen für Initiativen aus sechs Länder vergeben: Österreich, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Kroatien und Slowenien. Für die SozialMarie 2021 haben sich insgesamt 299 Projekte dem aufwendigen Auswahlverfahren gestellt, 2022 waren es 275 Initiativen.

"Der größte Teil der Projekte beschäftigt sich mit Bildung, Sozialdiensten und Diversity. Im vergangenen Jahr hat IG24, eine österreichische Initiative von migrantischen 24-Stunden-Betreuerinnen, den Hauptpreis gewonnen", sagt sie. "Die waren in allen Medien, aber es geht dennoch nichts weiter, viele Probleme sind ungelöst." Dies zeige die Schwierigkeit von sozialen Innovationen: "Die Leute haben gute Energie, aber sie scheitern, weil sie sich das gar nicht leisten können, ihre Innovationen weiter zu betreiben. Es gibt kein Geld und keine Ressourcen dafür. Die SozialMarie vergibt darum Preisgeld an Projekte, wenn sie schon eine Stufe weiter sind und gezeigt haben, dass sie ihr Thema auch umsetzen können."

Was "Innovation" ausmacht, dafür hat die Beraterin klare Kriterien. "Die Methode muss eine andere sein, als bisher zur Lösung entwickelt wurde. Viele machen gute Arbeit, aber experimentieren nicht. Die Zielgruppe muss in das Projekt eingebunden sein. Es geht auch um die Außenwirkung: Wie können andere von ihnen lernen, ist das Projekt sichtbar, wie gehen sie mit Medien um."

Netzwerke nutzen

Damit die Siegerprojekte nach ihren "15 Minutes of Fame" bei der Preisvergabe nicht wieder verschwinden gibt es eine einjährige Projektbegleitung durch Experten, sowie Ehrenschützerinnen, die bei der Sichtbarkeit unterstützen sollen. In Österreich haben beispielsweise die Kabarettisten Josef Hader und Michael Niawarani mit Benefizveranstaltungen "ihre" Projekte unterstützt. Über 18 Jahre SozialMarie ist aus hunderten ausgezeichneten Projekten ein beachtliches Netzwerk entstanden, das durch sein Expertenwissen die Entwicklung einzelner Initiativen unterstützen kann.

Welche Einsichten bringen fast ein Vierteljahrhundert gemeinnützige Tätigkeit als Stifterin? "Die Unruhe-Stiftung ist in ihrer Tätigkeit gemeinnützig, aber sie ist eine Privatstiftung, die auch Kapitalertragssteuer zahlen muss. Wir hatten damals keine Erfahrung, heute würde ich natürlich eine gemeinnützige Stiftung machen", beschreibt Moser-Heindl. "Darum mache ich Projekte zusammen mit den Sinnstiftern", ein Zusammenschluss von derzeit 15 Stiftungen, um mehr Wirkung zu erzielen. Diese "Überbau-Stiftungen" erscheinen als Einmaligkeit der österreichischen Stifterszene, sagt Moser-Heindl. Mit wenigen Ausnahmen einiger "wirklich vermögender Stifter" würden sich Einzelne schwertun, einen nachhaltigen Impact zu erzielen. "Aber so können auch kleine Stiftungen wie ich ihren Beitrag leisten."

Anschubfinanzierung

Die Sinnstifter "suchen innovative Bildungsprojekte, die Anschubfinanzierung und Coaching bekommen. Wir glauben, dass Reformen in der Bildung nicht von oben kommen. Es gibt wahnsinnig tolle Initiativen innerhalb und außerhalb von Schulen, von Elternorganisationen, gemeinsam mit Lehrern und Schülern, die das Schulwesen voranbringen." Verhindern solche privaten Initiativen nicht politische Änderung im öffentlichen Bereich, um Verbesserungen zu erzielen? "Kann sein, kann auch nicht sein. Wir coachen Projekte, damit sie Wachstum und Wirkung haben. Ich kann nicht darauf warten, dass ein Schulsystem zusammenbricht und neu entsteht."

"Die Welt ist ungerecht, wo immer man hinschaut, auch bei der Ukraine", sinniert Moser-Heindl über ihr langjähriges Engagement, "gemeinnützige Stiftungen können ein bissl einen Ausgleich schaffen. Das Thema Gerechtigkeit hat mich überfordert: Ich war gelähmt, was soll ich zur Gerechtigkeit beitragen? Jetzt, wo ich weiß, dass ich da und dort einen Ausgleich bringen kann. Das gibt mir wieder mehr Freiraum zu handeln." (Helmut Spudich, 13.5.2022)