Der beschleunigte Rücktrittsrhythmus in den ÖVP-Gefilden der heimischen Innenpolitik verlangt Politikern und Publikum viel ab. Kaum hat eine türkise Ministerin ihren Abgang erklärt, folgt schon die nächste – und während man sich als Beobachterin, sprich Bürgerin, die Ursachen dafür zusammenzureimen versucht, sind bereits über Nacht neue schwarze Minister und Staatssekretärinnen da.

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Umso überraschender, ja vielleicht gar von leisem Trotz gegen die Verursacherinnen geprägt wirkte da die Aussage des Bundeskanzlers Karl Nehammer, er habe "genügend Zeit" für die Nachfolgeentscheidungen gehabt, mit der Armin Wolf am Dienstag in der "ZiB 2" den neuen Dreifachminister Martin Kocher konfrontierte.

"Es ist die Frage, was genügend Zeit ist", antwortete der ob seiner Kompetenzausweitung nicht unbedingt euphorisch wirkende Ökonom, der als Mann vom Fach bis Montag exklusiv den Arbeitsminister gegeben hatte. Von seinen neuen Zusatzjobs als Wirtschafts- und Tourismusminister habe er Dienstagfrüh erfahren, sagte Kocher. Am vorhergehenden Montagabend habe es "Gespräche" gegeben, woraufhin er mit seiner Frau geredet habe.

Die Worte kamen ihm während des Interviews rasch über die Lippen: ein irgendwie hektisch wirkender Redestil. Tatsächlich verspricht es wenig Entspannung, in Zeiten einer ausgewachsenen Parteikrise ausgeweitete Ministerverantwortung für diese Partei zu übernehmen. Es könnte sich vielmehr als ein Knochenjob entpuppen. Insofern ist Kocher vielleicht der Vertreter eines neuen Politikertyps: jenes eines Mehrfachministers am Belastungslimit. (Irene Brickner, 11.5.2022)