Die Buchungen für den russischen Gastransit nach Europa durch die Ukraine über die Schlüsselroute mit dem Transitpunkt Sochranowka sind am Mittwoch auf null gesunken. Das geht aus Daten des ukrainischen Gaspipeline-Betreibers hervor. Die Ukraine hatte tags zuvor davor gewarnt, die Lieferungen über diese Route kriegsbedingt einzustellen.

Der ukrainische Netzbetreiber GTSOU erklärte, er könne die Nowopskow-Verdichterstation in der östlichen Luhansk-Region wegen "der Einmischung der Besatzungsmächte in technische Prozesse" nicht mehr betreiben. Daher werde der Gasfluss ab Mittwoch über die damit verbundene Sochranowka-Route eingestellt und stattdessen über den Sudscha-Knotenpunkt geleitet. Dort stand die Buchungsdurchleitung am Mittwoch den Daten zufolge bei knapp 72 Millionen Kubikmetern wie Gazprom berichtete. Ob dieses Niveau den Nachfragen der europäischen Kunden entspreche, wurde nicht mitgeteilt.

In Österreich kamen jedenfalls heute in der Früh die bestellten Gasmengen an, erklärte ein OMV-Sprecher. Der Marktgebietsmanager Austrian Gas Grid Management (AGGM) schreibt in seinem aktuellen Lagebericht: "Die Gasflüsse in Richtung aller österreichischen Marktgebiete, auch die Importe über die Ukraine, sind trotz aktueller Meldungen aus Luhansk derzeit stabil."

Gazprom: Umstellung unmöglich

Gazprom erklärte zuvor, die von der Ukraine vorgeschlagene Umstellung des Transits via Sudscha sei "technisch unmöglich". GTSOU zufolge floss über Sochranowka zuletzt fast ein Drittel des Erdgases, das von Russland über die Ukraine nach Europa geleitet wird.

Die Ukraine will den Transit via Sudscha umleiten, Gazprom bezeichnet das als unmöglich.
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Naftogaz-Chef Juri Witrenko konterte, dass die Angaben von Gazprom falsch seien. "Wir können die Gazprom-Behauptung, nicht bestätigen, wonach es technisch unmöglich sei, den Transit vom Knotenpunkt Sochranowka nach Sudscha zu transferieren. "Im Oktober '20 haben sie es mit 27,5 Millionen Kubikmeter pro tag gemacht – wegen Wartungsarbeiten auf ihrer Seite. Damals leitete Gazprom 165 Millionen Kubikmeter pro Tag nach Sudscha (1,5 mal mehr als der komplette Transit in den vergangenen Monaten), schrieb Witrenko auf Twitter.

Die ukrainische Seite erklärte bereits am Dienstag, sie werde den Gasfluss durch den Transitpunkt aussetzen. Die Gaspipeline über den Punkt Sochranowka verläuft durch den ukrainischen Oblast Luhansk, von der ein Teil unter der Kontrolle der russischen Besatzung steht. GTSOU machte "höhere Gewalt" für die Einstellung des Transits geltend. Die Klausel wird herangezogen, wenn ein Unternehmen auf Umstände trifft, die außerhalb seiner Kontrolle liegen. Gazprom habe "keinerlei Bestätigungen über Umstände höherer Gewalt" erhalten, sagte Sprecher Sergej Kuprijanow der Agentur Interfax zufolge.

Zweieinhalb Monate nach dem Beginn der russischen Invasion in die Ukraine teilte Moskau am Dienstagvormittag mit, gemeinsam mit prorussischen Separatisten bis an die Verwaltungsgrenzen von Luhansk vorgedrungen zu sein.

Hauptroute Nord Stream 1

Die Unterbrechung der Sochranowka-Route sollte keine Auswirkungen auf den ukrainischen Inlandsmarkt haben, sagte Witrenko am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters zufolge.

Witrenko warf Russland auch vor, Gas abzuzweigen. "Die russische Propaganda hat jahrelang gelogen, dass die Ukraine Gas stiehlt. Im Schiedsverfahren konnten sie keinen einzigen Beweis erbringen. Während Russland neue Gebiete besetzt, stehlen "prorussische Separatisten", unterstützt von der russischen Armee, Gas, für das die Ukraine verantwortlich sein sollte", schrieb er in einem Posting auf Twitter.

Am Dienstag beliefen sich die gesamten russischen Gasflüsse über die Ukraine nach Europa auf 95,8 Millionen Kubikmeter. 32,6 Millionen Kubikmeter wurden via Sochranowka transportiert. Die vertraglich mögliche maximale Auslastung für den ukrainischen Gastransit nach Europa liegt bei 109 Millionen Kubikmetern pro Tag. Die Hauptroute für russisches Gas nach Europa ist jedoch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1.

Deutschland und Moldau beruhigen

Die Gasversorgung Deutschlands sei derzeit noch gesichert, teilte das Wirtschaftsministerium in Berlin mit. "Wir beobachten die Lage genau. Auch der Gaskrisenstab und die Leitungsnetzbetreiber beobachten die Lage", hieß es.:"Die Versorgung in Deutschland ist derzeit noch gesichert".

Auch der nationale moldauische Gasbetreiber Moldovagaz erklärte am Mittwoch, das an die Ukraine grenzende Land sei nicht von Kiews Entscheidung betroffen, den Gastransit aus Russland entlang einer wichtigen Route auszusetzen. "Alles ist gut. Wir haben von unserem Lieferanten Gazprom keine Warnungen über eine mögliche Einstellung der Gaslieferungen erhalten", sagte eine Sprecherin von Moldovagaz. Sie sagte, die Republik Moldau erhalte derzeit ausreichende Gaslieferungen. (red, Reuters, APA, 11.5.2022)