Im Wiener Derby geht es eigentlich um Fußball. Sollte man meinen.

Foto: APA/HANS PUNZ

Das Wiener Derby zwischen der Austria und Rapid kommt traditionell nicht ohne Nebeneffekte aus. Auch das Match am vergangenen Sonntag wurde von Homophobie, Antisemitismus und Gewalt überschattet. Kurz nach der Partie postete ein STANDARD-Leser untenstehenden Beitrag. Ein Video der Tat kursierte im Internet, DER STANDARD sprach mit dem betroffenen 39-jährigen Familienvater aus Wien.

STANDARD: Was hat sich nach dem Wiener Derby zugetragen?

Leser: Wir waren zu dritt am Match. Mein Bruder und ein Freund waren dabei. Nach dem Spiel wollten wir mit der U-Bahn nach Hause fahren. Bei der Station Troststraße blieb der Zug länger stehen. Wir sind ausgestiegen, wollten zu Fuß weiter.

STANDARD: Und dann?

Leser: In dem Moment, als wir aus der Station rauskommen, habe ich eine größere Menge an Rapid-Anhägern auf uns zukommen sehen. In meiner Naivität habe ich nur ein paar böse Worte befürchtet. Mein Bruder schrie, ich solle weglaufen.

STANDARD: Das haben Sie auch getan.

Leser: Ja, ich bin zu einem Gemeindebau gelaufen. Von der Ferne sah es so aus, als würde dort ein Weg weitergehen. Das war leider ein Irrtum. Ich war in einer Sackgasse. Dann war es vorbei. Meinen Bruder haben sie auch erwischt. Der Dritte von uns ist davongekommen und hat die Polizei verständigt.

STANDARD: Was ist beim Gemeindebau passiert?

Leser: Ich habe mich umgedreht und zunächst nur einen Angreifer gesehen. Ich hatte kurz die Hoffnung, dass uns die anderen nicht nachgelaufen sind. Ich sagte noch: "Komm, lassen wir das." Der Mann hat mich antisemitisch beleidigt. Dann habe ich nur noch Schläge mitbekommen. Gegen den Kopf, ich habe die Arme zum Schutz vor das Gesicht gelegt.

STANDARD: Haben Sie Verletzungen davongetragen?

Leser: Nichts Bleibendes. Ich wurde im Krankenhaus von Kopf bis Fuß untersucht. Ich habe einige Cuts am Kopf. Der Rücken schmerzt noch. Ich habe Probleme, mich vernünftig zu bewegen. Mein Bruder hat eine Verletzung am Auge davongetragen.

STANDARD: Wie viele Angreifer haben Sie wahrgenommen?

Leser: Es waren nicht 100 gegen zwei, wie in einem anderen Medium zu lesen stand. Es waren nur 30 oder 40. Allerdings war ich wie gesagt damit beschäftigt, meinen Kopf zu schützen. Ich habe nicht alles im Detail mitbekommen.

STANDARD: Welches Ziel hatten die Angreifer?

Leser: Sie wollten mir den Pullover ausziehen. Deswegen habe ich die Arme so gehalten, dass sie ihn erwischen. Wehren wollte ich mich in dieser Situation nicht, dann wäre es nur schlimmer geworden. Was soll man da ausrichten? Ich bin dann mit nacktem Oberkörper am Boden gelegen. Dort habe ich Tritte kassiert. Dann hat man die Sirenen gehört, und die Typen haben das Weite gesucht.

STANDARD: War der Pullover ein Fanartikel?

Leser: Ja, den habe ich mir vor dem Match im Fanshop gekauft, nach drei Stunden war er wieder weg. Schade.

STANDARD: Hatten Sie Angst?

Leser: Es war ein bedrohliches Szenario. Ich hatte aber gar nicht die Zeit, mir Gedanken zu machen. Angst ist das falsche Wort, es war eher eine Fassungslosigkeit. Ich konnte nicht glauben, dass das wirklich passiert.

STANDARD: Sie haben doch bestimmt schon von gewaltbereiten Fans gehört.

Leser: Nun, ich wusste, dass es Gruppierungen gibt, die Gewalt nicht abgeneigt sind. Ich dachte aber, dass die sich das untereinander ausmachen. Dass sich die Idioten der Vereine nur gegenseitig vermöbeln.

STANDARD: Welche Art von Fan sind Sie?

Leser: Ich bin kein Hardcore-Fan, nur ein ganz durchschnittlicher Austria-Fan, der seit rund 15 Jahren nicht mehr im Stadion war. Ich wollte mir einen schönen Abend machen.

STANDARD: War das Ihr letzter Stadionbesuch?

Leser: Nein, Manuel Ortlechner hat mich angerufen und mich zum Match Austria gegen Sturm eingeladen. Er hat sich bei mir entschuldigt. Das finde ich richtig nett. Er kann ja nichts dafür.

STANDARD: Und wie hat die Polizei reagiert? Laufen Ermittlungen?

Leser: Alle Daten wurden aufgenommen, es gibt eine Anzeige. Aber ich denke nicht, dass man jemanden erwischen wird. Aber mir geht es ohnehin nicht um eine Kompensation.

STANDARD: Sondern?

Leser: Ich hoffe, dass sich die Vereine Konzepte überlegen, damit sich so etwas nicht wiederholt. Es kommen immer nur Lippenbekenntnisse. Ich verstehe nicht, wie das mit Fußball zu vereinen ist. Das ist doch zum Kotzen. (Philip Bauer, 11.5.2022)