Weißbüscheläffchen leben in kleinen "Clans" von bis zu einem Dutzend Mitgliedern in den Wäldern Nordostbrasiliens.
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Weißbüschelaffen mögen winzig sein, zahlreiche Verhaltensstudien haben in den kleinen anpassungsfähigen Primaten jedoch große und verblüffend vielschichtige Persönlichkeiten erkannt. So "plaudern" die 300 Gramm leichten Äffchen mit Artgenossen in regionalen Dialekten, haben ein tiefgehendes Verständnis für Musik und liefern Forschenden durch ihr Sozialverhalten sogar neue Erkenntnisse zur Evolution der menschlichen Sprache.

Mutige im Vorteil

In der freien Wildbahn kommen Weißbüschelaffen (Callithrix jacchus) nur in den Wäldern im Nordosten Brasiliens vor. Dass sich die Affen mit den Pinselohren durch ihre individuellen Temperamente, Persönlichkeiten und kognitiven Fähigkeiten voneinander unterscheiden, ist bereits länger bekannt. Wie aber die Persönlichkeit und der Lernerfolg zusammenhängen, haben Wiener Forscher nun erstmals analysiert. Die Mutigen sind klar im Vorteil, so das Fazit.

Ein Verhaltens- und Kognitionsbiologen-Team um Vedrana Šlipogor von der Universität Wien unterzog 22 Weißbüschelaffen einer Reihe an Persönlichkeitstests und präsentierte ihnen Lernaufgaben. Bei letzteren ging es etwa darum, eine Bewegung zu lernen, oder auch nach Regelmäßigkeiten beim Zuordnen von Objekten zu suchen. Auf die Persönlichkeit schlossen die Wissenschafter etwa, in dem sie die Tiere mit neuem Futter oder einer Spielzeugschlange konfrontierten. Dann dokumentierten sie, wie rasch sich die weniger als ein halbes Kilogramm leichten Äffchen annäherten.

Gleich und gleich gesellt sich gern

Dabei wurde deutlich, dass sich die Individuen in ihrem Lernverhalten deutlich unterschieden. Insgesamt präsentierten sich die Weibchen als schnellere Lerner, schreiben die Wissenschafter in der Arbeit im Fachjournal "Scientific Reports". Sie gingen in der Untersuchung von der These aus, dass entdeckungsfreudigere und mutigere Vertreter ihrer Art sich auch mit dem Lernen leichter tun.

Dass es im Tierreich sehr ausgeprägte Persönlichkeitsunterschiede gibt, wurde in der Forschung mittlerweile vielfach nachgewiesen. Ebenso finden sich Tiere oft auch ihren Eigenschaften entsprechend in Gruppen zusammen bzw. freunden sich eher mit ähnlichen Persönlichkeiten an, hieß es am Dienstag in einer Aussendung der Uni Wien.

Das ausgewachsene Weißbüscheläffchen-Männchen Baltazar erkundet einen Ast.
Foto: Vedrana Šlipogor/Uni Wien

In der Studie von Šlipogor und Kollegen spielten diese Faktoren ebenso eine Rolle: Einerseits lernten Individuen mit mutigerem Auftreten schneller, andererseits machte es auch einen Unterschied, aus welcher Familie die Tiere stammten. Das deute auf eine Verbindung zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und Lernfähigkeit sowie zusätzlich auf einen Einfluss der Gruppenzugehörigkeit hin.

Wagemutig und gescheit

Letzterer könnte neben genetischen Faktoren auch damit zusammenhängen, dass sich Familien mit erlebnisorientierteren Mitgliedern eher in komplexere Umwelten wagen, in denen eine höhere Intelligenz fürs Überleben wichtiger ist.

In weiteren Studien wollen die Forscher nun herausfinden, "ob sich diese Ergebnisse auch durch andere Aufgaben bestätigen lassen, die vielleicht ein wenig kognitiv herausfordernder sind, und ob dieser Effekt auch bei anderen hochsozialen Tieren mit ähnlichen sozio-ökologischen Eigenschaften auftritt", so Šlipogor. (red, APA, 11.5.2022)