Donaufestival-Leiter und Poptheoretiker Thomas Edlinger entschuldigte sich für die Publikation des Textbeitrags von Karl Bruckmaier zur "Ehrenrettung des Blackfacing".

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Dem popkulturellen Donaufestival in Krems wurde im Nachgang der diesjährigen Ausgabe ein offenbar seit Beginn kritisierter Text im Festival-Reader zum Verhängnis. Das Kollektiv Mai Ling und andere Künstlerinnen und Aktivisten of Color haben in einer Intervention gegen den in ihren Augen als rassistisch empfundenen Beitrag "Paint it black" des deutschen Autors und Moderators Karl Bruckmaier protestiert. In dem Text befasste sich der Autor auf provokante Weise mit den historischen Ursprüngen des Blackfacing und mit der Debatte um kulturelle Aneignung.

In seiner Kritik auf Facebook forderte das Kollektiv die Leitung des Donaufestivals auf, darüber Rechenschaft abzulegen. Zwei Tage später hat sich der künstlerische Leiter Thomas Edlinger auf der Website des Festivals für die Publikation des Textes entschuldigt und einen Verkaufsstopp des Readers veranlasst. Der Reader blieb online verfügbar, allerdings ohne den betreffenden Text.

Festivalleiter übernahm Verantwortung

Er, Edlinger, übernehme dafür die alleinige Verantwortung, und er schrieb: "Es ist mir ein Anliegen klarzustellen, dass ich von mehreren Kolleg*innen des Teams auf die Problematik des Textes vor seiner Veröffentlichung hingewiesen wurde. Diese Veröffentlichung war ausschließlich meine Entscheidung. Es tut mir leid, dass ich damit dem Ruf des Festivals geschadet habe, und ich entschuldige mich hiermit auch beim gesamten Team des Donaufestivals."

Der Autor Karl Bruckmaier sei Edlinger vor allem "als musikbegeisterter Autor des Buchs 'The Story of Pop', in dem er der Bedeutung und Funktion afrodiasporischer Musik quer durch die Jahrhunderte nachspürte und in ihr den Dreh- und Angelpunkt der US-amerikanischen Musik und der Erfindung bzw. Weiterentwicklung der Popmusik überhaupt ausmacht", bekannt gewesen.

Diese "kulturhistorische Wertschätzung afrodiasporischer Kultur" sei die Motivation für die Beauftragung des Textbeitrags gewesen. Jetzt bedauere er "die unzulängliche und unkritische Lesart" seinerseits. "Der Inhalt und die Sprache des Textes reproduzieren eine Haltung, die nicht mit den Werten des Donaufestivals vereinbar ist", schrieb Edlinger.

Provokante Vorbemerkung

Dem STANDARD wurde der fragliche Text mit dem Titel "Paint it black – Versuch der Ehrenrettung für eine unverschuldet in Not geratene Kulturtechnik" nachträglich zugespielt.* Der Autor hat dem Text eine Vorbemerkung vorangestellt, in der er im ironischen Popautoren-Stil erklärt, dass er keine Gender-Sterne nutzen werde, weil er "deutsch und nicht ideologisch" schreibe.

Außerdem hielt Bruckmaier fest: "Was den Gebrauch von Wörtern wie 'Neger' oder 'negro' betrifft, habe ich zu viele von ihnen kennengelernt, die darauf stolz waren, ein selbiger zu sein, dass ich ihr Andenken nicht für eine Handvoll Schneeflocken verrate." Er wisse, dass er "mehr oder weniger häufig ein Rassist" sei, "aber das wird man mir nicht mehr abgewöhnen können. Den Kerl nehme ich mit ins Grab. Versprochen."

Kulturelle Aneignung und Popgeschichte

Der Text selbst beschäftigte sich mit Aspekten des Festivalthemas "kulturelle Aneignung" und ist in einem Punkt pophistorisch unumstritten: Erst durch Hybridisierung, also die Verschmelzung von kulturellen Eigenheiten verschiedener amerikanischer Bevölkerungsgruppen, Eingewanderter wie verschleppter Sklavinnen und Sklaven, wurde die US-Popkultur spätestens mit Elvis Presley und dem Rock 'n' Roll zum weltumspannenden Phänomen.

Strittiger wird es bei Bruckmaiers eigentlichem Anliegen, einer historischen Betrachtung und "Ehrenrettung" der US-amerikanischen Minstrel-Shows, jener Unterhaltungsshows, die im 19. und frühen 20. Jahrhundert das Blackfacing popularisierten. Dabei schminkten sich zunächst Weiße das Gesicht schwarz, um Schwarze zu imitieren und diese in einer Mischung aus Faszination und Herablassung rassistisch bloßzustellen.

Später traten auch Schwarze selbst in den Shows auf, woraus – wie Bruckmaier in dem Text ausführt – ein emanzipatorisches Momentum für die afroamerikanische Bevölkerung entstanden sein soll. Gerade die (schwarze) Arbeiterklasse habe durch diese Shows erstmalig Zugang zur entstehenden Unterhaltungsbranche und damit verbundene Aufstiegschancen vorgefunden.

Verknüpfung mit heutiger Debatte

Der Text endet damit, dass Bruckmaier eine Brücke zur heutigen Debatte über Antirassismus und Identitätspolitik in den USA schlägt. In den USA würden "oft genug gesellschaftliche Spannungen, die aus Klassengegensätzen und Besitzverhältnissen resultieren, für Rassismus gehalten", schreibt der Autor. Weil die USA keinen Begriff von Klasse hätten bzw. diesen leugnen würden, bliebe nur die Kategorie der "Rasse" als Erklärungsmodell für Ungerechtigkeiten.

Dass der Autor auf Basis seiner historischen Spurensuche zur Meinung gelangt, Blackfacing sei auch hundert Jahre nach Ende der Minstrel-Shows kein rassistisches Problem, empörte Festival-Teilnehmende. Es sei ein Vertrauensbruch und stehe dem eigentlichen Motto des Festivals diametral entgegen: "Stealing the Stolen / Counter-Appropriation" – Gegenaneignung. (red, 11.5.2022)