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Zur Frage der Verantwortung für Österreichs fatale Abhängigkeit von russischem Gas berichtete der ehemalige Energieminister Reinhold Mitterlehner im STANDARD von bemerkenswerten Aktionen des Ex-OMV-Chefs Rainer Seele. Dieser ging in seiner Putin-Unterwürfigkeit so weit, dass er ein von der OMV in Norwegen erworbenes Gasfeld an die russische Gazprom verkaufen wollte – ein Deal, der erst am Widerstand der norwegischen Regierung scheiterte. Im Weiteren verlängerte er den ursprünglich bis 2032 laufenden Gazprom-Liefervertrag bis 2040 mit der Begründung: "In meiner 20-jährigen Russland-Erfahrung habe ich eines gelernt: Man soll nur auf einer Hochzeit tanzen." (Das sah Putin vermutlich ähnlich und entschied sich für die Hochzeit von Karin Kneissl.) "Daher sind wir Gazprom und unserer Zusammenarbeit verpflichtet und schauen nicht zur Seite."

Dieses "Nicht-zur-Seite-Schauen" hat der OMV in Wirtschaftskreisen den Beinamen "Gazprom West" beschert. Zur Seite gelegt hat Herr Seele aber sehr wohl was, wie nun die Rechercheplattform Dossier enthüllt:

Wladimir Putin hat nicht nur Länder, die er bevorzugt überfällt, und Völker, die er am liebsten massakriert, sondern auch einen Lieblingsfußballklub: Zenit St. Petersburg, seit vielen Jahren stets auf der Liste der zwanzig reichsten Fußballklubs der Welt. An dieser stolzen Platzierung haben dank Seeles auch wir einen Anteil. Ab 2018 hat die teilstaatliche OMV AG fünf Millionen Euro pro Jahr an den Klub gezahlt. Der Werbewert dieses Sponsorings ist überschaubar, denn der Klub trägt "OMV" nicht am Trikot – oder wenigstens "Gazprom West" –, sondern deklariert es als "Unterstützung für das Nachwuchsteam".

Vielleicht also hat Seele in Sankt Petersburg Buben im Vereinsdress, die mit dem auf Dorffußballplätzen üblichen Ruf "Bitte eine Spende für den Nachwuchs!" durchs Publikum ziehen, 25 Millionen Euro in die Spendenbüchse gesteckt.

Eine zu zügige Überprüfung

Im Juni 2020 bekam der Chef der OMV-Compliance-Abteilung Robert Eichler vom Aufsichtsrat den Auftrag, dieses Sponsoring zu prüfen. Üblicherweise dauern derartige Überprüfungen mehrere Monate. Herr Eichler aber war bereits zwei Wochen nach Auftragserteilung fertig und meldete dem Aufsichtsrat: alles sauber.

Nun wurde eine bislang geheime, als "goldener Fallschirm" bezeichnete Vereinbarung bekannt, in der Seele dem Compliance-Chef im Falle eines unfreiwilligen Abgangs üppige Entgeltfortzahlungen bis zum Pensionsantrittsalter garantiert. Wenige Wochen vor Unterzeichnung der Vereinbarung hat Eichler das Zenit-Sponsoring geprüft und nichts zu beanstanden gefunden.

Beanstandenswertes fand dann der OMV-Aufsichtsrat. Nachdem er im Dezember 2021 von der Existenz der Vereinbarung erfuhr, wurden Eichler Dienstlaptop, Firmenhandy und Zugangskarte abgenommen, und es wurde eine sofortige Dienstfreistellung verfügt.

Das erinnert wieder ein wenig an Zenit St. Petersburg. Der Klub wurde von der Uefa aus allen internationalen Bewerben ausgeschlossen und kann sich jetzt ganz auf die Nachwuchsarbeit konzentrieren. Wenn ihn das vor dem sportlichen Absturz bewahrt, war auch unsere 25-Millionen-Euro-Spende eine Art "goldener Fallschirm". (Florian Scheuba, 11.5.2022)