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Eine Abkehr vom Gießkannenprinzip finden nicht alle gut. Die einen fürchten ein Schwinden der kulturellen Vielfalt. Andere befürworten es als Maßnahme, ein Kulturprekariat gar nicht erst entstehen zu lassen.

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Ein Kulturprojekt umsetzen und die Involvierten fair bezahlen? Das ist in der freien Kulturszene, die meistens auf Vereinsbasis und unter hohem Selbstausbeutungsdruck arbeitet, eine Seltenheit. Damit sich das ändert, wurde vor zwei Jahren auf Bundesebene und parallel dazu auch in Ländern wie Wien und Salzburg ein Fair-Pay-Prozess eingeleitet. Das Ziel: Fördermittel anzuheben und gezielt an jene zu vergeben, die bereit sind, faire Honorare zu zahlen.

Das Problem dabei: Österreichs Kulturförderung ist stark föderal strukturiert. Städte, Gemeinden, Länder und zuletzt der Bund teilen sich in aufsteigender Reihenfolge die Projektzuschüsse. Will man diese nun nach Fair-Pay-Kriterien ausrichten, bedarf es einer Gesamtstrategie. An einer solchen war man noch nie so nahe dran wie aktuell, was einerseits als Verdienst von Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) gewertet werden kann, aber mehr noch am gestiegenen guten Willen der Bundesländer liegt.

Sondierungen laufen

Bis es so weit ist – derzeit laufen Sondierungen zwischen allen Körperschaften –, wird es allerdings noch dauern, Monate jedenfalls, bis alles rund läuft, eher Jahre. Es werde ein Marathon, kein Sprint, hieß es bereits mehrfach. Der Bund hat im letzten Jahr ein Pilotprojekt gestartet, bei dem derzeit 6,5 Millionen Euro an Fair-Pay-Zuschüssen ausgezahlt werden. Eine Gallup-Studie bezifferte den Fair-Pay-Gap, also die Lücke, die in der Förderung klafft, um fair bezahlen zu können, mit 25 Millionen Euro – allein für jene Projekte, an denen der Bund beteiligt ist. Die Bundesländer erheben ihren Zusatzbedarf nun teils gesondert, zumal die Aussagekraft der Studie des Bundes angezweifelt wird, etwa von der Interessenvertretung Kupf (OÖ).

Deren Geschäftsführer Thomas Diesenreiter fordert mehr Transparenz bei der Aufteilung der Mittel, die Verringerung bürokratischer Doppelgleisigkeiten und eine Evaluierung der bisherigen Umsetzung gemeinsam mit den betroffenen Kulturplayern. Eine solche sei im Sommer ohnehin geplant, versichert man im Kulturstaatssekretariat.

Nicht alle an einem Strang

Die Interessenvertretungen sind derzeit nicht immer einer Meinung: Gabriele Gerbasits, Vorsitzende der IG Kultur und vormals unter Ulrike Lunacek (Grüne) selbst im Staatssekretariat arbeitend, moniert eine falsche Berechnungsgrundlage des Bundes. Das Modell im Land Salzburg fände sie geeigneter, weil es im Gegensatz zu jenem des Bundes nicht so hohe Eigenleistungen der Förderwerbenden vorsieht. Ulrike Kuner von der IG Freie Theaterarbeit hingegen wähnt den Prozess auf dem richtigen Weg, sie findet, man sei damit ein Pionier in ganz Europa.

Im Bund jedenfalls kämpft man derzeit auch mit Widerständen in der Verwaltung. Nach der enormen Herausforderung in den Covid-Jahren hätten Beschäftigte bis zu 200 Überstunden stehen, heißt es, mehr Personal gibt es nicht. Jetzt auch noch das gesamte Fördermodell auf Fair Pay umzustellen sehen viele als bürokratische Zumutung.

Und hinter vorgehaltener Hand bezweifeln einige generell, dass die Maßnahmen die freie Kulturszene wirklich glücklicher machen würden. Tenor der Skeptiker: Man werde im Ergebnis weniger Förderwerber besser dotieren, während viele andere leer ausgehen würden – eine Abkehr vom Gießkannenprinzip, die nicht alle gut finden. Die einen fürchten ein Schwinden der kulturellen Vielfalt. Andere befürworten es als Maßnahme, ein Kulturprekariat gar nicht erst entstehen zu lassen.

Dass die in der Vergangenheit stagnierenden Kulturbudgets in den nächsten Jahren in den Himmel wachsen werden, glauben nicht einmal Optimisten – es würde also auf eine Neuverteilung hinauslaufen, die immer auch Verliererinnen und Verlierer produziert.

Kollektivvertrag als Nivellierung?

Eine andere laufende Fair-Pay-Baustelle sind die Kollektivvertragsverhandlungen bei den Österreichischen Bundesmuseen: Erstmalig soll für alle rund 2.600 Mitarbeitenden der acht Institutionen ein gemeinsamer KV verhandelt werden. Bislang war ein solcher jenen des KHM-Verbands vorbehalten.

Im Fokus stehen dabei Mindestgehälter, etwa für Aufsichtspersonal. Einer aktuellen Ausschreibung zufolge bietet das Belvedere für diesen Job in der Vollzeitvariante monatlich 1.350 Euro brutto. Im KHM bekäme man wenigstens 1.760 Euro. Ein Ungleichgewicht, das mit dem neuen KV austariert werden soll.

Seit März 2021 fanden 18 Gesprächsrunden statt. Das ursprünglich für Ende 2021 anvisierte Ergebnis lässt auf sich warten. Nur eines ist gesichert: Der KHM-Kollektivvertrag ist in der bestehenden Form Geschichte und wird aus Kostengründen nicht in den anderen Häusern übernommen. Für die neue Variante sind derzeit drei Simulationsmodelle mit unterschiedlichen Gehaltsvorstellungen in Diskussion. Das Mindestgehalt dürfte künftig bei rund 1.700 Euro liegen. Eine Anhebung, die sich wohl auch über Einsparungen beim wissenschaftlichen Personal finanzieren soll.

Droht ein Fachprekariat?

Demnach wird für Kuratoren mit abgeschlossener Hochschulausbildung ein Einstieg mit knapp 2.200 Euro kolportiert. Das liefe auf ein Fachprekariat oder den Verzicht auf qualifizierte Bewerberinnen mit Berufserfahrung hinaus. Zum Vergleich: Das KHM entlohnt hier derzeit mit zumindest 3.000 Euro und mehr. Noch, denn mit dem neuen Kollektivvertrag, so hört man, sollen die KHM-Gehälter angepasst und damit fallweise eingefroren werden. Die Saläre der Geschäftsführung – teils mehr als der Bundeskanzler – bleiben unangetastet. Auch das freut nicht jeden. (Stefan Weiss, Olga Kronsteiner, 12.5.2022)