Ein von Demonstrantinnen und Demonstranten angezündeter Bus in der Nähe der Residenz des Premierministers von Sri Lanka.

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Colombo/Vatikanstadt – Die größte Oppositionspartei Sri Lankas hat rund um anhaltende Unruhen, bei dem die Behörden einen allgemeinen Schießbefehl auf Demonstranten erteilten, den Rücktritt von Präsident Gotabaya Rajapaksa verlangt. Oppositionsführer Sajith Premadasa von der United Peoples Party erklärte sich am Mittwoch in der Hauptstadt Colombo bereit, in einer Übergangsregierung das Premiers-Amt zu übernehmen. Zur Bedingung machte seine Partei jedoch, dass nach dem Rücktritt des bisherigen Premiers Mahinda Rajapaksa nun sein Bruder auf sein Amt als Staatschef verzichtet.

Der hoch verschuldete Inselstaat südlich von Indien, mit 22 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern, hat seit Montag keine Regierung mehr. Mit dem Rücktritt des Premierministers verloren auch alle Minister ihre Posten. Nun soll das Parlament den neuen Chef einer Übergangsregierung bestimmen, die das Land in Neuwahlen führt. Nach einer Welle der Gewalt war es am Mittwoch verhältnismäßig ruhig auf den Straßen. Militär und Polizei patrouillierten. Es gilt eine Ausgangssperre.

Das Land befindet sich in der schlimmsten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten. Es mangelt an Treibstoff, Lebensmitteln und Medikamenten. Man hofft nun auf Hilfe vom Internationalen Währungsfonds (IWF) sowie aus China und Indien. Nach der gewaltsamen Eskalation samt tödlichen Ausschreitungen vom Montag hatten die Behörden Schießbefehl erteilt, um weitere Unruhen zu unterdrücken. Die Sicherheitskräfte seien angewiesen worden, auf jeden zu schießen, der öffentliches Eigentum plündert oder Menschenleben gefährdet, erklärte das Verteidigungsministerium am gestrigen Dienstag.

Kein Putsch

Die jüngste Welle der Gewalt hatte mit Auseinandersetzungen von Anhängern und Gegnern der bisherigen Regierung begonnen. Nach Polizeiangaben gab es mindestens neun Tote und mehr als 250 Verletzte.

Sri Lankas Zentralbankchef warnte am Mittwoch vor einem "endgültigen Zusammenbrechen" des Wirtschaftslebens. Wenn es nicht "innerhalb von zwei Tagen" eine neue Regierung gebe, werde die Wirtschaft nicht mehr zu retten sein, sagte Nandalal Weerasinghe vor Journalisten in Colombo. Das Land brauche politische Stabilität.

Der höchste Militärverantwortliche des Landes, Kamal Gunaratne, schloss einen Putsch aus, obwohl in den Straßen Truppen patrouillierten. "Wenn es im Land eine gefährliche Lage gibt, erhalten die Militärs die Vollmacht, damit umzugehen", sagte Kamal Gunaratne. Niemand solle denken, dass das Militär die Macht ergreifen wolle. Das Militär habe "nicht solche Absichten".

Colombo brennt

Am Montag war bereits eine Ausgangssperre verhängt worden, der sich die Menschen vielerorts jedoch widersetzten. Eine wütende Menschenmenge gridd ein Fahrzeug an, in dem der ranghöchste Polizist der Hauptstadt Colombo saß und setzte es in Brand. Am Dienstag wurde außerdem ein Luxushotel in Brand gesetzt, das einem Verwandten des zurückgetretenen Ministerpräsidenten und Ex-Präsidenten Mahinda Rajapaska gehören soll. Mit Bussen nach Colombo gefahrene Anhänger Rajapaksas griffen demonstrierende Regierungsgegner mit Stöcken und Knüppeln an, die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer ein. Bei den Protesten wurden mindestens acht Menschen getötet, Hunderte wurden verletzt.

Als Reaktion traten Rajapaksa und sein gesamtes Kabinett am Montag zurück. Dagegen bleibt der Bruder des Ex-Regierungschefs, Präsident Gotabaya Rajapaksa, im Amt. Er verfügt über weitreichende Befugnisse.

Die EU verurteilte die Gewalt gegen Zivilisten und rief zu Ruhe auf. Brüssel forderte die Behörden Sri Lankas auf, "eine Untersuchung der Ereignisse einzuleiten und diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die zur Gewalt angestiftet oder sie verübt haben". Auch Papst Franziskus rief zu Gewaltlosigkeit auf. (APA, 11.5.2022)