Sozialminister Johannes Rauch (Mitte) präsentierte die Pflegereform gemeinsam mit den Klubvorsitzenden Sigrid Maurer (Grüne) und August Wöginger (ÖVP) im pompösen Rahmen. Das Ergebnis war dem durchaus angemessen.

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Vollmundigen Ankündigungen folgte lange Zeit wenig Handfestes: Allmählich wurde der ständige Protest gegen das Ausbleiben der Pflegereform für die Regierung peinlich. Selbst eine Pandemie und eine verunglückte Zwischenbesetzung im zuständigen Sozialministerium sind keine Ausrede, um ein solches Schlüsselprojekt ewig zu verschleppen.

Zu sehr spüren Pflegebedürftige bereits die sich anbahnende Misere. Gravierendstes Problem ist der wachsende Personalmangel. Obwohl die von der Demografie getriebene Alterungswelle noch gar nicht voll angerollt ist, können Pflegeanbieter mancherorts schon jetzt nicht mehr alle Heimbetten betreuen und nachgefragte Leistungen für zu Hause befriedigen. Dabei ist das Versorgungsniveau hierzulande ohnehin schlechter als in den in Sachen Wohlstand vergleichbaren nordischen Ländern, die weit mehr Geld für professionelle Pflege ausgeben. Österreich vertraute die längste Zeit darauf, dass eh die Angehörigen – meist Frauen – gratis einspringen.

Viel mit Hand und Fuß

Doch es lässt sich nicht behaupten, dass die Regierung die Hilferufe ignoriert habe. Was ÖVP und Grüne nun endlich vorlegten, geht deutlich über ein weiteres Papierl substanzloser Überschriften hinaus. Zwar ist auch in dem zwanzigteiligen Programm manches bloß vage Ankündigung – die versprochene Verbesserung der Arbeitsbedingungen von 24-Stunden-Betreuerinnen etwa muss noch verhandelt werden. Doch vieles hat Hand und Fuß, inklusive konkreter Umsetzungsfristen und finanzieller Dotierung.

Richtig und wichtig ist, dass die Bundesregierung die Einkommen der Pflegekräfte aufbessern will, sodass im Schnitt ein Monatsgehalt herausschauen soll. Auch die geplanten Zusatzunterstützungen für die Ausbildungszeit machen den Weg in diesen so wichtigen Beruf attraktiver. Einige wesentliche Änderungen im Detail – etwa die zusätzliche Entlastungswoche für alle Bediensteten über 43 Jahre – zeigen, dass die Konstrukteure der Reform den Betroffenen gut zugehört haben. Pflegende Angehörige dürfen ebenfalls mehr Unterstützung erwarten.

Fehlende Investitionen

Lücken bleiben dennoch. Weil es mancherorts an flexiblen Unterstützungsangeboten wie etwa Tageszentren für Demenzkranke fehlt, die dabei helfen könnten, im Alter zu Hause leben zu können, sind Menschen zur Übersiedlung ins Heim gezwungen. Investitionen in den notwendigen Ausbau bilden sich im koalitionären Konzept nicht ab.

Der Handlungsspielraum der Regierung ist da allerdings begrenzt, denn zuständig sind die Länder. Ob Österreichs Pflegesystem wirklich auf Vordermann gebracht wird, wird sich deshalb nicht zuletzt beim nächsten Finanzausgleich im föderalistischen Gezerre um Geld entscheiden.

Wohl nicht zu befürchten ist, dass das nun geplante Gehaltsplus für Pflegende wieder zurückgenommen wird. Dieser "Bundeszuschlag" ist vorerst zwar nur bis Ende 2023 befristet, weil die Koalition – wie Sozialminister Rauch sagt – ohne große Umstände rasch Geld ins System pumpen wollte. Es wird sich aber wohl kaum eine Bundesregierung trauen, die Gehälter in zwei Jahren wieder eiskalt zu kappen.

Um die Reform im Bund-Länder-Wirrwarr möglichst rasch auf den Boden zu bringen, fehlt aber noch eines: eine weitere Regierungsumbildung. Ein eigenständiger Sozialminister, der vom Corona-Management freigespielt ist, wäre – auch wegen der drohenden Armutskrise im Zuge der Teuerungswelle – ein Gebot der Stunde. Doch weil das die Balance zwischen Türkis und Grün aus dem Gleichgewicht bringen würde, ist da wohl die koalitionsimmanente Machtlogik unüberwindbares Hindernis. (Gerald John, 12.5.2022)