Olaf Scholz (rechts) gilt als schlechter Kommunikator. Robert Habeck (links) wird in dieser Hinsicht mehr zugetraut.

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Olaf Scholz hat schon wieder einen Termin mit seinem Volk. Am Montag wird der der deutsche Bundeskanzler bei RTL 70 Minuten lang Fragen, "die die Menschen in diesen Zeiten bewegen", beantworten. So heißt es in der Vorankündigung.

Es kommt jetzt öfter vor, dass Scholz seine Politik erklärt. In den vergangenen Tagen hat er dem Spiegel ein großes Interview gegeben, auch dem Wochenmagazin Stern und dem ZDF. Und er hielt zur Erinnerung an das Kriegsende vor 77 Jahren am 8. Mai eine TV-Rede, natürlich mit Bezug auf den Krieg in der Ukraine. Offensichtlich hat Scholz einiges aufzuholen. Er sei unfähig zu kommunizieren – dieser Vorwurf wurde bald nach dem Beginn des russischen Einmarsches in die Ukraine von vielen in Berlin erhoben.

Zwar hielt Scholz drei Tage nach Kriegsbeginn jene legendäre Rede im Bundestag, in der er von einer "Zeitenwende" sprach und zwei Milliarden Euro für die Bundeswehr ankündigte. Es war eine starke und vielbeachtete Rede. Aber danach kam wenig, Scholz zog sich wieder zurück. Es blieb so manchem, der gern mehr über das Regierungshandeln in Kriegszeiten erfahren hätte wollen, nur der Hashtag #WoIstScholz.

Habeck glänzt

Dafür sprach ein anderer: der grüne Robert Habeck, Wirtschafts- und Klimaschutzminister. Er erklärte nicht nur viel, sondern tat (und tut) dies auch sehr plastisch und verständlich. "Es kann rumpelig werden", räumte er für den Fall eines deutschen Ölembargos gegen Russland ein. Er sagt auch, dass man "Putin nicht den Popo tätscheln werde". Die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine begründete er so: "Es nützt nichts, wenn wir sagen, in einem Dreivierteljahr kriegt ihr irgendwas. Jetzt muss das Zeug da runter. Und so handeln wir auch."

Er warnte die Deutschen zudem, dass der Staat nicht alle Preissteigerungen bei der Energieversorgung auffangen könne: "Das ist die bittere und die harte Wahrheit." Manche Botschaften kommen in einem schnell gedrehten Video über die sozialen Medien, vom Blatt liest Habeck nie ab, er spricht frei.

Mit seiner Art zu kommunizieren hat er sich zum Konterpart von Scholz entwickelt. Das schlägt sich auch in Umfragen nieder. Habeck ist laut Politbarometer der Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF der beliebteste deutsche Politiker, Scholz liegt hinter ihm. "Habeck zeigt, dass er der bessere Kanzler gewesen wäre", konstatiert die Welt. Vorbei sind die Zeiten, in denen Habeck wegen seiner ausufernden Rhetorik verspottet wurde.

Kanzler unter Zugzwang

Und nun? Will Scholz etwa den Habeck machen? "Man merkte im Kanzleramt, dass es eine eklatante Kommunikationslücke gab, die dann ein anderer gefüllt hat. Das setzte Scholz unter Zugzwang", sagt Thorsten Faas, Politologe an der Freien Universität Berlin. "Scholz hat erkannt, dass er in Kriegszeiten nicht alle paar Monate eine Rede halten kann, und das genügt dann", meint jemand, der ihn gut kennt. Nicht zufällig präsentierte sich Scholz im Wahlkampf als Verlängerung des Systems Merkel mit anderen Mitteln. Das ging so weit, dass er sogar Merkels Raute formte.

Auch Angela Merkel musste sich lange anhören, dass sie nicht genug erkläre. Zu Beginn der Corona-Pandemie überließ sie das Feld weitgehend ihrem damaligen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Erst als die Lage immer brenzliger wurde, schritt die Kanzlerin ein und begann, ihre Politik zu begründen. Beide – Scholz und Merkel – liefern gerne Ergebnisse, wollen aber den (manchmal harten) Weg dorthin nicht beschreiben, heißt es in der deutschen Hauptstadt.

Immerhin: Scholz spricht nun vermehrt. Nicht immer, aber gelegentlich, tut er dies auch mit größerer Leidenschaft und größerem Kampfgeist, als man es von ihm gewohnt ist. Auffällig war dies im ZDF-Interview. Da saß der Kanzler und erklärte seine Ukraine-Politik in klaren und deutlichen Sätzen, was vielerorts wohlwollend vermerkt wurde. So kommentierte etwa der Münchner Merkur: "Na endlich! Das Ende des Genuschels."(Birgit Baumann aus Berlin, 12.5.2022)