Ein Ölembargo würde Russland empfindlich treffen. Nicht alle Länder ziehen bislang dabei mit.

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Die Pläne der Europäischen Kommission für ein Ende von Ölimporten aus Russland treten auf der Stelle. Seit Mitte vergangener Woche verhandeln die Diplomaten in Brüssel ohne Aussicht auf einen raschen Durchbruch. Ungarns rechtspopulistischer Ministerpräsident Viktor Orbán droht mit einem Veto. "Wie eine Atombombe" würde ein Ölembargo Ungarns Wirtschaft treffen, schwadroniert er. Dabei kommt ihm die Kommission weit entgegen: Für Ungarn und die Slowakei sieht ihr Vorschlag eine Frist für die Umsetzung des Embargos bis Ende 2024 vor. Die anderen EU-Staaten hätten demnach nur sechs Monate Zeit, ihre Ölimporte aus Russland einzustellen (ausgenommen noch Tschechien mit einer Frist bis Mitte 2024).

Am Montag jettete Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eigens nach Budapest, um den Hausherrn im ehemaligen Karmeliterkloster hoch oben auf der Burg zu Buda umzustimmen. Allein dieser blieb hartnäckig, die EU-Vorfrau reiste mit leeren Händen ab. Dabei, so betont man in Budapest, sei man nicht grundsätzlich gegen ein Ölembargo. "Es darf uns nur nicht betreffen", schiebt man als Zusatz hinterher.

Mögliche Kompromisse

Wie das gehen soll, erläuterte Außenminister Péter Szijjártó in einem Facebook-Video am Mittwoch. Darin wies er der EU zwei mögliche Wege, um Ungarn beim sechsten Sanktionspaket gegen Russland ins Boot zu holen. Die erste Option bestünde darin, dass Öllieferungen, die über Pipelines kommen, grundsätzlich vom Lieferstopp ausgenommen sind. Das käme einem ungarischen "Opt-out" gleich, denn das Land erhält sein gesamtes russisches Öl über Rohrleitungen. Die andere Wahl liefe auf Geld hinaus, sehr viel Geld. Die EU müsste in diesem Fall Ungarn für den Ausfall des russischen Öls und die damit verbundenen Umstellungs- und Anpassungskosten "vollständig entschädigen", so Szijjártó. Das würde "mehrere Milliarden Euro" kosten.

Tatsächlich ist der Mineralölkonzern MOL mit seinen Raffinerien in Százhalombatta bei Budapest sowie im slowakischen Bratislava in hohem Maße auf die Verarbeitung russischen Erdöls eingestellt. Konzernchef Zsolt Hernádi – im Übrigen ein Orbán-Vertrauter – bezifferte jüngst die Umstellungskosten im Falle eines Russland-Embargos mit 660 Millionen Euro. Als nötigen Zeitrahmen gab MOL zwei Jahre an. Experten widersprechen dem jedoch. Dem Wirtschaftsportal napi.hu sagten sie, dass auch sechs bis neun Monate dafür ausreichen würden – womit der Kompromissvorschlag der Kommission mit der Ungarn-Frist bis Ende 2024 sogar noch großzügig aussähe.

Hohe Dividende

In den letzten Monaten segelte die MOL wegen des recht billigen russischen Öls in Gefilden fetter Gewinne. So schlägt die Konzernspitze für die anstehende Dividendenausschüttung die Summe von 250 Milliarden Forint vor – umgerechnet knapp jene 660 Millionen Euro, die Hernádi für eventuelle Embargo-Umstellungskosten veranschlagte.

Orbán pflegte bis zum russischen Überfall auf die Ukraine am 24. Februar enge Beziehungen zum Kreml-Chef Wladimir Putin. Die bisherigen fünf Sanktionspakete der EU trug er jedoch mit. Zugleich hetzen die von Orbán kontrollierten Medien gegen die Ukraine und gegen die EU, übernehmen die Narrative der Kreml-Propaganda. Das sechste EU-Paket enthält außerdem Sanktionen gegen den russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill (Verbot der Einreise in die EU, Einfrieren von Vermögenswerten). Orbán will auch dagegen sein Veto einlegen. Die von ihm in Ungarn entfesselte Homophobie-Kampagne fände durchaus das Gefallen des Kreml-treuen Kirchenoberhaupts. Putins Krieg gegen die Ukraine bezeichnete der Patriarch als Kampf gegen eine Welt, in der es Schwulenparaden gibt.

Weniger Gas

Nicht die Rede ist davon, dass Putins Krieg für weitere Zuspitzung an der Energiefront sorgt. Nach Angaben des russischen Staatskonzerns Gazprom ist der Transit russischen Gases durch die Ukraine am Donnerstag um fast ein Drittel gesunken. Am Mittwoch hat Russland Geschäfte mit Gazprom Germania und anderen früheren Gazprom-Töchtern im Ausland untersagt. Betroffen sind 30 Firmen in Europa. Die heimische OMV erklärt, die bestellten Mengen würden weiterhin eintreffen. Während unklar ist, ob dies auf die Sanktionen zurückzuführen ist, warnt der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck, Russland setze jetzt Öl und Gas als Waffe ein. (Gregor Mayer aus Budapest, 13.5.2022)