Wer in den ersten Lockdowns alleinstehend war, der hatte es nicht einfach. Während die Politik sich darum kümmerte, einigermaßen pandemiebekämpfende Maßnahmen für diverse Feiertage zu beschließen, ohne wichtige Wählerfamilien zu verlieren, blieben diejenigen auf der Strecke, die in dieses Bild von gestern nicht hineinpassten.

Sebastian Schoepp, "Rettet die Freundschaft!". 24,70 Euro / 240 Seiten. Westend, Frankfurt am Main 2022
Cover: Westend

Zusammenkommen konnte man nur über digitale Wege. Alles schön und gut. Aber das schärfste Bild ersetzt keine körperliche Nähe. "Die Freundschaft bekam einen unmoralischen Anstrich, das war ein Paradigmenwechsel", schreibt Sebastian Schoepp in seinem neuen Buch Rettet die Freundschaft. Und widmet der Pandemie ein ganzes Kapitel.

Kein Wunder, immerhin war es ein riesiger Einschnitt in eine bis dato positive Entwicklung der Freundschaft innerhalb unserer Gesellschaft. Schoepp nutzt seine über 200 Seiten, um eine Ode an ebendiese zu schreiben.

Persönliche Geschichten

Dabei ist es nicht einmal nur eine Folge seiner persönlichen Präferenz, die Schoepp hier anprangert, sondern Schäden, deren Ausmaße für uns noch nicht absehbar sind. Den politischen Entscheidungsträgern hätte er eine "Psychiaterin zur Seite gestellt", denn "so hätte es vielleicht die Chance gegeben, die seelischen Auswirkungen von Freundschaftsverzicht in Kindergärten, Schulen, Arbeitsplätzen und Altenheimen besser in den Maßnahmenkatalog einzuarbeiten".

Und wie wichtig Freundschaften, vor allem in jungen Jahren, sind, das erzählt Schoepp immer wieder in mal herzerwärmenden, mal tragischen Geschichten aus seinem Leben. Sei es Lukas, der sich im Abitur-Urlaub von allen anderen verabschiedete und sich mit seinem Auto auf nach Chiarone machte, um dort auf einem Zeltplatz neben dem Lagerfeuer seine Tage zu verbringen – und Schoepp so in dessen Liebeskummer tröstete.

Oder Erkan, mit dem Schoepp in Schulzeiten eine Band gründete, die sich zerstritt. Die beiden fanden erst für dieses Buchprojekt wieder zueinander. "Vielleicht verhält es sich mit der ersten Freundschaft ähnlich wie mit der ersten großen Liebe. Man misst alles Spätere an ihr", schreibt er.

Zum Nachdenken anregen

Auf den folgenden Seiten schafft es Sebastian Schoepp, etliche Gedanken, Autorinnen und Aspekte zum Thema Freundschaft zusammenzubringen, um sich als Leser nicht nur immer wieder selbst darin zu erkennen, sondern vor allem auch, um zum Nachdenken anzuregen.

Gleichzeitig zeigt Schoepp, was für ein meisterhafter Essayist er ist. Indem er seine Kapitel so ineinander verwebt, dass man gar nicht meint, einen in der Sache komplizierten Text zu lesen, sondern eher einem guten Freund zuzuhören, der zwar ausufernd vor sich hin faselt, dabei aber genau weiß, was er sagt. Und solch wunderschöne Sätze wie diesen hervorbringt, wenn er über seine Freundinnen und Freunde redet: "Menschen, die einen auf Ideen bringen, deren Werte wir teilen, in deren Gegenwart das Bier besser schmeckt, die Musik besser klingt, die Sonne heller scheint, an deren Tür man um Mitternacht klingeln kann, wenn unsere Welt zusammengebrochen ist." (Thorben Pollerhof, ALBUM, 15.5.2022)