Der enorm hohe Bodenverbrauch in Österreich ist ein riesiges Problem, das dürfte mittlerweile bekannt sein. Eine Erklärung dafür, vor allem vonseiten der Politik, ist oft, dass die Bevölkerung ja wachse, es also mehr Siedlungen brauche, und dafür müsse Boden in Anspruch genommen werden.

Ein Blick in den Süden

Ein Argument, das aber spätestens dann fragwürdig erscheint, wenn man sich Kärnten ansieht. Das südlichste österreichische Bundesland hat derzeit etwas mehr als 560.000 Einwohnerinnen und Einwohner, so viele, wie es laut Statistik Austria auch 2009 schon waren. Bis 2013 ging nämlich die Zahl der in Kärnten lebenden Menschen zunächst zurück, danach konnte der Bevölkerungsverlust etwas gestoppt werden. Doch bis 2040 wird die Zahl wieder auf 550.000 Menschen schrumpfen, weil "die internationale Zuwanderung die Binnenwanderungsverluste und die negativen Geburtenbilanzen langfristig nicht kompensieren kann", wie es in der Langfristprognose der Statistik Austria heißt. Bis 2080 wird ein weiterer Rückgang auf nur noch 525.000 Menschen erwartet.

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Obwohl künftig weniger Menschen in Kärnten (Bild: Villach) leben werden, wurde hier zuletzt enorm viel Boden in Anspruch genommen.
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Angesichts dieser negativen Prognose bestürzt es geradezu, dass sich Kärnten unter jenen Bundesländern befindet, die in den vergangenen Jahren am meisten Boden verbraucht haben. Gerlinde Krawanja-Ortner, Bodenkundlerin im Geopark Karnische Alpen, hat jüngst ein Positionspapier zum Bodenverbrauch in Kärnten verfasst, das an Deutlichkeit wenig zu wünschen übrig lässt. Anhand von Zahlen des Umweltbundesamts für die Jahre 2010 bis 2020 rechnet sie vor, dass Kärnten in diesem Jahrzehnt beim Pro-Kopf-Bodenverbrauch sogar – im negativen Sinne – einsame Spitze war, er lag nämlich bei 14,4 Quadratmetern pro Einwohner und Jahr –_mehr als das Doppelte des österreichweiten Durchschnitts von sieben Quadratmetern.

Zahlen für das Vorjahr gibt es beim Umweltbundesamt noch nicht, sie werden erst im Herbst veröffentlicht. Doch zwischen 2010 und 2020 wurde in Kärnten im Schnitt immer mehr als ein Hektar pro Tag verbraucht, in den Jahren 2012, 2015 und 2016 waren es im Schnitt sogar stets mehr als drei Hektar pro Tag.

Der hohe Verbrauch gehe zulasten landwirtschaftlich genutzter Flächen. Krawanja-Ortner rechnet vor, dass es derzeit für jede Kärntnerin und jeden Kärntner statistisch nur noch rund 2800 Quadratmeter an Agrarland gibt. Nötig für die Nahrungsmittelproduktion wären aber eigentlich rund 3600 Quadratmeter pro Kopf und Nase.

Wenig Dauersiedlungsraum

Doch warum wird so viel Boden verbraucht, obwohl die Kärntner Bevölkerung stagniert und in Zukunft sogar schrumpfen wird? Auf diese Frage hat Krawanja-Ortner eine einfache Erklärung: "Das Bauen ist hier wohl schon eine Art Gegenmittel gegen den Bevölkerungsschwund." Es wird also gebaut, um den Trend umkehren zu können. So entstehen immer mehr Zweitwohnsitze und Anlegerwohnungen. "Da stellt sich die Frage: Für wen bauen wir eigentlich?"

Weil Kärnten ein alpines Bundesland ist, ist hier aber nur ein Viertel der Landesfläche überhaupt für Siedlungen geeignet – der sogenannte Dauersiedlungsraum. "Das bedeutet, dass in Kärnten viele verschiedene Nutzungen um ein räumlich sehr knappes Gut konkurrieren, was den raumplanerischen Handlungsbedarf nachdrücklich vor Augen führt." Gleichzeitig gäbe es viele Industriebrachen und leerstehende Gewerbeflächen, die wieder genutzt werden könnten bzw. sollten.

Das Kärntner Raumordnungsgesetz sei zwar mit Jahresbeginn novelliert worden, aber es enthalte "nichts Verbindliches" für den Bodenschutz. "Eine übergreifende Raumplanung auf Landesebene wäre wichtig", so die Expertin, die außerdem ein Kärntner Bodenschutzgesetz einmahnt, "und auch eine spezifische Ansprechstelle für Bodenfragen wurde bis heute nicht in der Landesverwaltung geschaffen." Und was die Bodenkundlerin besonders ärgert: Im "Kärntner Umweltbericht" für 2021 ist die Eindämmung des Bodenverbrauchs de facto überhaupt kein Thema. (Martin Putschögl, 15.5.2022)