"Aufruf zum Aufstand" an österreichische Produzenten für Förderungen wie im Rest Europas: Großproduzent Jan Mojto.

Foto: Robert Newald

Wien – Jan Mojto, Boss der Beta-Film und internationale Legende der TV-Produktionsbranche, kam mit einem "Aufruf zum Aufstand" zum Produzentinnentag nach Wien. "Wäre ich hier Produzent, würde ich Tag und Nacht vor dem Kanzleramt stehen", sagte Mojto am Donnerstag vor der versammelte Branche in Wien.

Demonstrieren sollten die Produzenten und die Kreativbranche des Landes für eine – von Branchenverbänden lange geforderte – Investitionsprämie oder ähnliche Fördermodelle wie in den meisten europäischen Ländern: Ein wesentlicher Teil der Produktionskosten im Land – 30 oder 35 Prozent wie laut Mojto in Italien – wird aus dem Budget refundiert, um Produktionen und Wertschöpfung ins Land zu holen und zugleich das Land – wieder im Sinne der Wertschöpfung – international zu bewerben.

  • Für heuer geplant: Bei der Veranstaltung erklärte Kultur-Staatssekretärin Andrea Mayer zuvor an, eine solche Anreizförderung ohne Obergrenze für das gesamte Fördervolumen solle nach ihren Vorstellungen noch heuer kommen, sie wollte Details "Mitte des Sommers" vorlegen können. Auf Nachfrage hieß es, es gebe darüber "Gespräche" in der Regierung. Mehr dazu hier.

Nicht allein wirtschaftliche Gründe sprächen für solche Anreizmodelle, betont Mojto beim Produzentinnentag: "Was das Land erzählt, hat eine kulturelle Bedeutung, das haben vor allem die Franzosen verstanden" – mit gewaltigen Förderungen. "Das hat eine wirtschaftliche Bedeutung, das haben viele, auch Österreich, verstanden."

Ein zusätzlicher Faktor sei das Bild des Landes etwa für Investitions- und Standortentscheidungen von Managern anderer Branchen: "Wirtschaftliche Entscheidungen werden nicht nur nach rationalen Kriterien getroffen – Manager sind auch Menschen und haben Gefühle, sag ich jetzt mal so." Für ihre Entscheidungen seien eben auch "weiche Faktoren" wesentlich – und diese beeinflussten wiederum "den Wohlstand im Land." Film-, TV- und Streamingprogramme seien "die größte Träger von Werten, mit denen ein Land identifiziert wird". Nachsatz: "Die Franzosen haben das verstanden."

Die Politik müsse zudem Wettbewerbsnachteile nationaler Produzentinnen und Produzenten gerade in kleineren Ländern gegenüber globalen, integrierten Konzernen in diesem Match ausgleichen.

Film, TV und Streaming seien "nicht nur geduldete Beschäftigung von ein paar Schöngeistern, die nichts anderes gelernt haben", betonte Mojto. "Das sind keine Almosenempfänger."

  • Jan Mojto ist übrigens als Boss der Beta-Film-Gruppe mit Unitel und der Holding Gamma längst größter Produzent in Österreich: Seine Gamma Film GmbH hält mit jeweils 50,8 Prozent die Mehrheit am Produktionsriesen MR Film ("Vienna Blood", "Vorstadtweiber", "Biester", "Maria Theresia"), an Gebhardt Productions ("Soko Linz", "Soko Kitzbühel", "Was gibt es Neues", "Wir sind Kaiser*in") und TV Friends Productions und Services ("Starmania", "Q1", "Ninja Warrior Austria"). Mit Servus TV, dessen Programmchef Frank Holderied ebenfalls beim Produzentinnentag diskutierte, und etwa der ARD produziert Mojto gerade das globale, aus einer Reihe vernetzter lokaler Serien gebaute Fußball-Krimiserienprojekt "The Net". Das Serienprojekt wurde in einem Joint Venture Beta / Red Bull entwickelt.

Aufruf zur Auftragsvergabe an Öffentlich-Rechtliche

Michael Lehmann ist Vorsitzender der Geschäftsführung der Studio Hamburg Produktion GmbH, eine große Holding von Produktionsfirmen. Er hat zum Produzentinnentag nach Wien eine weitere Anregung – neben dem Aufstand – für die Branche mitgebracht:

"Vielleicht würde es helfen", wenn öffentlich-rechtliche Sender nicht – wie insbesondere nach seiner Beobachtung in Deutschland – möglichst viel selbst produzierten, "weil sie einen riesigen Apparat aufgebaut und einen mächtigen Betriebsrat haben". "Das ist sinnlos, weil sie nicht billiger als wir produzieren", findet Lehmann, "und absolut schädlich für die Produzentenlandschaft." Öffentlich-rechtliche sollten "möglichst viel nach außen vergeben".

Ein Stichwort für Stefanie Groiss-Horowitz, seit Jahresbeginn Programmdirektorin des ORF, auf das fixe Vergabevolumen des ORF zu verweisen, das derzeit mit knapp mehr als 100 Millionen Euro pro Jahr beziffert wird.

Horowitz sieht offenbar Potenzial für mehr: "Wir sind mit internationalem Kaufprogramm jahrzehntelang gut gefahren." Nun finde es sein Publikum nicht mehr, jedenfalls nicht im linearen TV-Programm. "Wir müssen also unsere Traditionen hinterfragen, wie viel Budget in welchem Genre liegt – und das Vergabevolumen absichern, im besten Fall erhöhen".

"Mehr Kraft, als Sie glauben"

Es gehe bei Produktionsaufträgen auch um verlässliche Sendeplatzzusagen, um die Möglichkeit, die Produktionen "in entsprechender Regelmäßigkeit unserem Publikum präsentieren zu können", womöglich auch ein Rechtethema. Und wenn der ORF mit einer Gesetzesnovelle mehr von seinen Programmen im Streaming anbieten kann, geht es bei den Rechten auch um Abgeltungen an die Produzentinnen, erinnerte etwa John Lüftner (Superfilm, Präsident der Austrian Association of Film Producers) bei der Veranstaltung.

Horowitz zweifelt in Sachen "Aufstand" übrigens "keine Sekunde" daran, dass es den Produzentinnen "an Haltung und Selbstbewusstsein mangelt". Da gehe es eher nur noch um die Frage, "wo man den ersten Sitzstreik ansiedelt". Ihr Eindruck: Das gemeinsame Interesse eine die Branche. Und: "Sie haben viel mehr Kraft, als Sie glauben." (fid, 13.5.2022)