In tropischen Wäldern kann auch buntes Aussehen unter gute Tarnung fallen. Geht der Druck, von Raubtieren gefressen zu werden, zurück, hat dies ebenfalls Einfluss auf die Haut der Chamäleons.
Foto: Zoran Kolundzija / Getty / iStock

Wenn viel Raum für Freiheit besteht, kann man sich auch ein extravagantes Aussehen erlauben. Dass dies etwa für bestimmte Chamäleons zutrifft, konnte ein hawaiianisch-australisches Forschungsteam nachweisen: Gibt es weniger Fressfeinde wie Schlangen und Raubvögel im Lebensraum, dann zeigen die untersuchten Männchen eine grellere Färbung, wie in der Studie im Fachjournal "Science Advances" ausgeführt wird.

Dafür nahm sich die Forschungsgruppe Dreihornchamäleons vor. Sie kommen ursprünglich in den kühl-feuchten Bergwäldern Ostafrikas vor, haben es sich aber seit einigen Jahrzehnten auch auf der Inselgruppe von Hawaii bequem gemacht. Für den Heimtierhandel wurde die Art, die auch unter dem Namen "Jacksons Chamäleon" bekannt ist, 1972 aus Kenia auf die Insel Oahu gebracht. Die Tiere vermehrten sich allerdings in freier Wildbahn – wobei ihnen zugutekam, dass ihnen im neuen Lebensraum weniger natürliche Fressfeinde nachstellen.

Farbspiele zeigen Rang

Die schuppige Haut der Dreihornchamäleons ist – wie bei anderen Spezies – zum Farbwechsel fähig. Das hilft den Tieren vor allem bei der nonverbalen Kommunikation. Normalerweise sind sie farblich an ihre Umgebung angepasst, doch in Gesellschaft kann sich das schnell ändern: Je gelbgrüner und greller sich ein Männchen dann zeigt, desto höher sein Rang.

Dreihornchamäleons (Trioceros jacksonii) im Fokus: Wie auffällig sie gefärbt sind, hängt stark mit der Balzzeit und dem sozialen Rang zusammen. Die Fotos A und C zeigen dominante Männchen in grellgrüner Farbenpracht, die sich in Kämpfen mit Konkurrenten messen. Exemplar B musste sich angesichts stärkerer Artgenossen geschlagen geben und wechselte von hellgelb zu bräunlicher Farbpalette. Auf Bild D zeigt sich das Weibchen (unten) vom Männchen unbeeindruckt und verdeutlicht das durch einen Farbwechsel in kontrastierend dunkle Töne.
Fotos: Martin J. Whiting, Macquarie University / Whiting et al. 2022, Science Advances

Dieser ist nicht konstant, sondern wird immer wieder im Hornduell mit anderen Männchen ausgefochten. In heftigen Kämpfen können sich die mehr als 30 Zentimeter langen Chamäleons gegenseitig die Haut durchbohren und stark verletzen. Wenn feststeht, welcher Kämpfer der dominante ist, beginnt der Unterlegene mit der Verwandlung in einen weniger auffälligen Zeitgenossen, der sich eher an dunkle und braune Töne hält.

Will ein Männchen einer potenziellen Partnerin näherkommen, erweist sich das gelbgrüne Kostüm ebenfalls als Vorteil. Wobei es kein Garant für Aufmerksamkeit ist, denn sogar vor dem grellsten Männchen graust es manch einem Weibchen, und es färbt sich selbst dunkel, um die Abneigung zu verdeutlichen (siehe Foto D). Doch nicht nur bei Partnerwahl und sozialem Rang spielt die Färbung eine Rolle, die das Forschungsteam untersuchte, sondern auch angesichts bedrohlicher Räuber. Sind diese in der Nähe, können sich die Chamäleons ebenfalls unauffälliger machen.

Insulanische Leuchtkraft

Um nun den Unterschied zwischen dem natürlichen und dem neuen Habitat festzustellen, verglich die Gruppe um Martin Whiting von der Macquarie-Universität in Sydney die Dreihornchamäleons von Oahu mit solchen, die in Kenia leben. Beim Balzen um Weibchen sowie gegenüber maskuliner Konkurrenz waren die hawaiianischen Männchen im Durchschnitt greller – oder wie es in der Studie heißt: Sie hatten "einen höheren Leuchtdichtekontrast" im Vergleich zur Umgebung. Dafür wurde mit eingerechnet, wie gut das Gegenüber den Farbkontrast erkennt.

Das dürfte ihnen bei der Partnerinnenwahl zugutekommen. Allerdings waren sie gleichzeitig schlechter getarnt als die kenianischen Chamäleons, wenn die Forschenden ihnen mit Schlangen- und Raubvogelattrappen aus der ostafrikanischen Heimat näher kamen. Bis sich Unterschiede evolutionär deutlich manifestieren, kann es mitunter lange dauern, doch eine gute Tarnung gegenüber Schlangen ist für die Hawaii-Population kaum mehr nötig, weil auf der Inselgruppe keine Schlangen in freier Wildbahn leben.

Kein Gründereffekt

Die niedrige Bedrohung, die von natürlichen Feinden ausgeht, könne also zu einer raschen Anpassung an die neuen Gegebenheiten geführt haben – innerhalb von nur etwa 50 Jahren, schreiben die Forscherinnen und Forscher. Womöglich beeinflusste auch der sogenannte Gründereffekt das Ganze: Wenn jene Tiere, die aus Kenia nach Hawaii gelangten, einen grundsätzlichen genetischen Unterschied im Vergleich zu anderen Dreihornchamäleons hatten, kann dies für anders geartetes Aussehen oder Verhalten bei der Exilpopulation sorgen.

Weil Menschen hier die Auswahl übernommen haben und vielleicht besonders "gutaussehende" Exemplare nach Oahu bringen wollten, lässt die Forschungsgruppe diese Erklärungsmöglichkeit nicht außer Acht. Jedoch hält sie einen ausschlaggebenden Einfluss des Gründereffekts für unwahrscheinlich, weil Chamäleons fast immer in einem getarnten Farbzustand anzutreffen sind: "Sie sind Einzelgänger und zeigen die auffälligen Farben nur während relativ kurzer Begegnungen mit Artgenossen." (Julia Sica, 13.5.2022)