Michael Linsbauer, Leiter des Projekts Haydnregion Niederösterreich, wohnt in einer Altbauwohnung im vierten Bezirk in Wien. Hier fehlt ihm nur etwas mehr Platz für Hauskonzerte – und eine Badewanne.

"Als ich vor zehn Jahren von meinem Studium in Deutschland zurückgekehrt bin, wollte ich mich eigentlich auf Wohnungssuche in Wien machen. Aber dann ist meine Schwester aus ihrer Altbauwohnung im vierten Bezirk ausgezogen, und der Vermieter ließ mich in den Vertrag einsteigen.

Michael Linsbauer wohnt im vierten Bezirk. An der Wandfarbe kann er sich nicht sattsehen.
Foto: Lisi Specht

Eigentlich bin ich ein Kind des 18., ich mag das vorstädtische Flair und das viele Grün. Aber die Miete war hier okay, der Zuschnitt der Wohnung ist super für eine Person. Es gibt zwei große, schöne Zimmer und eine kleine Küche, die nicht mitten im Wohnbereich ist. Für eine Person ist das ideal. So habe ich mich für diese Wohnung entschieden. Ich habe hier tatsächlich einen Platz im vierten Bezirk gefunden, an dem man die Jahreszeiten mitbekommt, weil ich in den Garten des Palais Schönburg sehe. Ich sehe Magnolien im Frühling, dichtes Blättergrün im Sommer, gold-orange Farbenspiele im Herbst. Und im Winter ist das Palais manchmal weiß verschneit.

Meine Einrichtung ist eine Mischung aus geerbt, gesammelt und geramscht. Ich habe Möbelstücke meiner Familie, vom Flohmarkt und vom Antiquitätenhändler. Dazwischen sind Erinnerungen, denn ich nehme aus jedem Urlaub ein Stückerl mit.

"Ich bin ein totaler Farbenmensch", sagt Michael Linsbauer.
Fotos: Lisi Specht

Ich bin ein totaler Farbenmensch. Vor allem im Altbau sind mir weiße Wände ein bisschen zu kühl. Meine Schwester hatte das Esszimmer lindengrün, das Wohnzimmer dottergelb gestrichen. Mit diesen Farben hätte ich mich nicht wohlgefühlt. Ich hab mir überlegt, an welcher Farbe ich mich nicht so schnell sattsehe. Geworden ist es dann dieses Mittelblau. Die Kombination mit Orange oder Korallrot und Grau hat sich ergeben, weil ich zwei, drei Bilder in diesen Tönen hatte und mir das zusammen gut gefallen hat. Nur das Bad ist heute noch lachsfarben, so wie es meine Schwester damals gestrichen hat.

Ich hab mir beim Ausmalen gedacht: Wenn mir die Farben nach drei Jahren auf die Nerven gehen, kann ich ja immer noch anders ausmalen. Das ist jetzt zehn Jahre her, und ich fühle mich immer noch wohl damit. Langsam denk ich mir aber, dass das Blau wieder aufgefrischt werden muss.

Ich wohne im Altbau, weil ich gern in ähnlicher Atmosphäre wohne wie der, in der ich die ersten 20 Jahre meines Lebens aufgewachsen bin. Auch wenn meine Eltern sich vermutlich nicht gerade die Sessel von Philippe Starck reingestellt hätten. Ich mag es gern, wenn die Mitte des Raums nicht durch schwere Möbel vollgestellt wird. Da mag ich es frei und transparent, weil an den Wänden eh genug los ist.

Die vermeintlichen Haydn-Porträts stammen von einem Flohmarkt, die "Metamorphosen" von einer Wohnungsauflösung.
Fotos: Lisi Specht

Manche der Bilder an den Wänden sind von meiner Familie, manches habe ich direkt von den Künstlerinnen und Künstlern gekauft, manches ist vom Flohmarkt. Zwei Porträts habe ich auf einem Flohmarkt in Klosterneuburg gekauft. Ich bin der Meinung, das können nur Joseph Haydn und seine Frau, von der es kaum Bilder gibt, sein. Irgendwann werde ich es vielleicht beweisen. Und wenn nicht, dann ist es wenigstens lustig. Derweil hängt bei mir jedenfalls das Ehepaar Haydn im Esszimmer.

In meinem Bett schlafe ich unter den Metamorphosen von Ovid. Das Bild hab ich von einer Wohnungsauflösung in Penzing. Eine alte Dame hat es online gestellt. Ich war gerade auf dem Weg in die Arbeit, als ich das Inserat entdeckte, bin spontan in Hütteldorf ausgestiegen und war innerhalb von fünf Minuten vor Ort. Dann hab ich mir einen Tag freigenommen und einen Lieferwagen organisiert. In den Wohnräumen würde dieses riesige Bild einen erschlagen. Hier im Schlafzimmer ist es ein Gag. Da erschlägt es einen nicht. Außer natürlich, ich lieg drunter, und es fällt wirklich auf mich drauf.

Ich lebe sehr analog, kaufe noch CDs, DVDs und natürlich Bücher. Die kann ich weder weggeben noch herschenken oder wegwerfen. Wenn ich etwas nachschauen will, dann muss ich es auf einen Griff haben. Darum war mir eine solide Bücherwand wichtig. Aber mittlerweile wird es da auch schon eng.

Mein Wohntraum wäre genau diese Wohnung, nur mit einem Zimmer mehr, also mit mehr Platz für noch mehr Bücher, Bilder und einen Flügel, damit ich Hauskonzerte veranstalten kann, bei denen sich 30, 40 Menschen gut verteilen können. Und ein bisschen Platz für eine Badewanne. Ich bin ein totaler Badewannenfan." (PROTOKOLL: Franziska Zoidl, 16.5.2022)