"Einen Moment, bitte." Markus Sageder-Luger taucht mit einem leeren Bierglas ab in Richtung Boden. Als er wieder hochkommt, schwimmt an dessen Boden plötzlich ein kleiner, braunen Fisch. "Das ist eine Mühlkoppe." Er beginnt, die Lebensweise des heimischen Bodengrundlers zu erklären. Für das Bierglas hingegen wird weder eine Erklärung gegeben noch eine verlangt. An einem Ort wie diesem käme niemand auf die Idee, einen Fisch in einem Bierglas zu hinterfragen.

Markus Sageder-Luger führt mit seiner Familie eine der vielleicht seltsamsten Attraktionen, die Oberösterreich zu bieten hat. Auf dem Grund des 52-Jährigen kann man eine alte Mühle und ein Sägewerk aus dem frühen 19. Jahrhundert besichtigen. Aber die echten Stars warten hinter dem alten Kuhstall, wo sich – großteils unter Holzplatten verborgen – der Mühlbach durch den Garten schlängelt.

Spaß am Schmäh: Das Mühlmuseum und der Forellenzirkus leben auch vom Schmäh, der bei Markus Sageder-Luger ununterbrochen rennt.
Florian Voggeneder

St. Aegidi liegt am Rande des Sauwalds auf einem welligen Hochplateau über der Donau. Der "Forellenzirkus" der Familie Sageder-Luger ist an der Hauptstraße des 1500-Seelen-Ortes ausgeschildert. Seit 75 Jahren bringen die Männer der Familie auf dem Gelände der Erledtmühle Fischen Tricks bei und führen sie Besuchern vor. Quasi das Sea World des Innviertels, nur ohne Tierquälerei.

"Wollen wir starten?" Markus Sageder-Luger, der das Museum und den angrenzenden Zirkus mit seiner Frau in zweiter Generation führt, steht erwartungsvoll in der Nachmittagssonne vor seinem Haus und grinst. Der Mann im grünen "Forellenzirkus"-Polohemd redet in tiefstem Oberösterreichisch und lacht laut und ansteckend, auch über seine eigenen Witze. Damit ist er der perfekte Reiseleiter für die skurrile, kleine Tour, die einem in St. Aegidi geboten wird.

Es beginnt damit, dass willigen Besuchern ein Hahn auf den Kopf gesetzt wird. Das hat nichts mit dem Rest der Tour zu tun. Das Geflügel der Familie ist einfach recht zahm, vor allem die zwei großen Cochin-Hähne Luki und Niki. Und hier bleibt nichts, was Besuchern Spaß machen könnte, ungenutzt. Das Programm ist eine wilde Mischung, genauso wie die Deko-Elemente auf dem Gelände. Hier gibt es alles, von einem herzförmigen Schild mit der Aufschrift "Griaß euch Gott" bis zu einem Mob aus selbstgebauten Vogelscheuchen, die Reiher abschrecken sollen.

Florian Voggeneder

In der Familie

Die Erledtmühle wurde im 14. Jahrhundert erstmals urkundlich erwähnt. Bis 1994 wurde hier noch Getreide gemahlen, ab 2000 folgte eine umfassende Renovierung. Sageder-Luger setzt das Mühlrad in Bewegung. Er erklärt die Mechanik und rattert dabei Zahlen aus dem Kopf herunter: 4,80 Meter misst das Rad im Durchmesser, es hält im Schnitt knapp 25 Jahre und hat 36 Zellen, wie man die Wasserbehälter im Rad auch nennt. Der Vorgang wiederholt sich 10 Minuten später beim Sägewerk von 1820, das ebenfalls mit Wasserkraft betrieben wird, und im ehemaligen Hühnerstall, wo eine alte Schusterei und Binderei untergebracht sind. Hauptberuflich ist der Tourguide aber nicht Reiseleiter, sondern beim Land Oberösterreich beschäftigt. "Das Museum ist mehr ein Hobby", sagt er, während sich die Säge neben ihm selbstständig durch einen Holzstamm arbeitet.

Die gelassene Forelle

Man könnte auch sagen: eine Familiensache. Die Geschichte des Forellenzirkus beginnt vor 75 Jahren, kurz nach Kriegsende. Mühle und Sägewerk sind schon damals im Besitz der Familie Luger. "Die Großmutter hat damals die Wäsche noch im Mühlbach gewaschen", erzählt Sageder-Luger. "Die Forellen haben darauf überraschend gelassen reagiert." Irgendwann merken das auch Otto und Karl, zwei Söhne der Familie. 1947 beginnen sie, die Fische zu trainieren. Ein paar Jahre später finden die ersten Vorstellungen statt, im Oktober 1954 erscheint im Linzer Volksblatt der erste Artikel über den Fischzirkus. Er hängt in der Vitrine des "Mühlmuseums", neben Fotos von Otto und Karl. Der eine Bruder übernimmt später die Mühle, der andere das Sägewerk. Der Fischzirkus bleibt das gemeinsame Projekt.

Springforellen: Im "Forellenzirkus" wurde hüpfen Fische durch Reifen. Das ist spektakulär wie kurios.
Florian Voggeneder

In den 1990ern trifft Markus Sageder, der aus dem Nachbarort kommt, Bernadette Luger und heiratet in die Fischdompteur-Familie ein. Als Karl Luger 2006 stirbt, beschließt die Familie nach kurzem Zögern, die Tradition weiterzuführen. Über das Jahr hinweg habe das seltsame Museumsensemble im Innviertel "um die 1000 Besucher", sagt Sageder-Luger. Zumindest vor der Pandemie. Darunter ganze Reisebusse, Gäste aus Italien oder den USA (die nächste Anlegestation für Donaukreuzfahrten ist nicht weit) und Leute aus der Umgebung. Für den ein oder anderen Oberösterreicher und Niederbayern ist der Forellenzirkus eine Kindheitserinnerung.

Jagd auf Wurst

Nach der Lektion in historischer Handwerkskunst nähert sich die Tour endlich den schuppigen Hauptdarstellern. Im Mühlbach, der aus Schutz vor Fischreihern mit Holzplatten abgedeckt ist, sind verschiedene Stationen mit kleineren Sehenswürdigkeiten platziert. In einem Fischkäfig schwimmen Jungfische ("Ich sag immer: Die Guten kommen ins Training, die Schlechten in die Pfanne"), es gibt zwei Krebse, einen Sibirischen Stör und einen zahmen Streichelfisch namens "Hansi". Die Fische sind vor dem Reiher sicher, aber nicht vor dem "Dad-Humor" ihres Dompteurs: Während der Tour kommen aus seinem Mund Sätze wie "Ich mach den Deckel mal zu, sonst wird der Fisch bei Regen nass", im ehemaligen Kuhstall hängt ein elektronischer Fisch, der Take Me to the River singt. Das liest sich ein bisschen unangenehm, ist es aber nicht. Der sympathische Vater dreier Töchter hat Spaß am Schmähführen, das reißt alles raus.

Florian Voggeneder

Anfang 2021 muss der Forellenzirkus einen herben Rückschlag hinnehmen. Am 18. März – Sageder-Luger hat den Tag noch genau im Kopf – sieht er, als er aus dem Auto steigt, schon die Spuren des Fischotters im Schnee. "Der kommt von der Donau rauf", seufzt er. Der Fischotter frisst fast die gesamte, hart trainierte Mannschaft beziehungsweise ihre Filets. Bei einem früheren Besuch biss ein Otter dem Sibirischen Stör ein Stück Nase ab. "Der Verlust war sehr bitter." Der Trainer steht plötzlich ohne Mannschaft da. Aufgeben will er aber nicht. Er besorgt sich neue Fische und beginnt mit dem Training. "Üben muss man schon, Forellen springen in der Natur nicht durch einen Ring."

Im Grunde trainiert man eine Forelle oder ihren Verwandten, den Saibling, nicht groß anders als einen Hund. Es kommen sogar die gleichen Belohnungen zum Einsatz. Als man bei den erwachsenen Fischen angekommen ist, holt der Dompteur eine kleine Wurst aus einer Plastikbox und hält sie ins Wasser. Die Fische springen enthusiastisch in Richtung Wurst. Und je nachdem, wo das Objekt der Belohnung hingehalten wird, vollbringen sie dabei Kunststücke – eben einen Sprung durch einen Reifen. Oder einen Schuss aufs Tor.

Elf Forellen müsst ihr sein

Ja, Schuss aufs Tor. In einem einen Quadratmeter großen Teil seines Bachs, den er seine "Allianz-Arena" nennt, hat Sageder-Luger ein kleines Tor mit einem "Elfmeterpunkt" installiert. Hier werfen sich die Forellen auf der Jagd nach der Wurst gegen den Ball, der dann im besten Fall ins Tor rollt. Nachdem er das alles mit dem gebotenen Ernst erklärt hat, kniet sich Sageder-Luger vor das Loch und beginnt, Cordoba nachzuspielen. Inklusive dem "I werd narrisch!", als die Forelle, die Hans Krankl darstellt, das 3:2 schießt.

Keine Frage: Das ist natürlich alles etwas irre. Aber in St. Aegidi, am Ende der Zufahrtsstraße zu Füßen der Erlendtmühle, ergibt die Gesamtkomposition, in der wenig zusammenpasst, Sinn. Was natürlich auch an der Begeisterungsfähigkeit von Markus Sageder-Luger liegt. Als er nach knapp einer Stunde die Tour wieder bei Luki und Niki, den zahmen Hähnen, beendet, kann man ihm endlich eine wichtige Frage stellen, die bislang offenblieb: Warum tun sich er und seine Familie die ganze Arbeit auch nach über 15 Jahren noch an? "Es ist ein gewisser Idealismus", sagt er. Ohne den Einsatz von ihm und seiner Familie würde die Tradition aussterben. "Das motiviert mich." (Jonas Vogt, 14.5.2022)