Die Skyline von Lignano wirkt mickrig, schippert man erst einmal mit dem Boot durch die Lagune.

Foto: Sascha Aumüller

Die Casoni sind traditionelle Hütten, die in Fischerfamilien von Generation zu Generation weitergegeben werden.

Foto: Sascha Aumüller

Die Bilancia sind große Fischernetze am Fluss Stella. Früher wurden sie von drei Mann bedient, heute geschieht das Absenken und Einholen auf Knopfdruck.

Foto: Sascha Aumüller

Ich verrate Ihnen ein Familiengeheimnis. Wann immer wir über die Badeorte an der Oberen Adria reden, nennen wir sie die "verträumten Fischerdörfchen". Caorle und Co benutzten diese kecken Worte einst für die Tourismuswerbung. Die dicht mit Landsleuten belegten Liegestuhlreihen vor dem geistigen Auge, hat meine Familie diese Badegewässer immer gemieden wie der Teufel das Weihwasser. Vergangenes Wochenende beendete ich den Boykott. Ich sah zum ersten Mal Lignano – und noch am selben Tag verträumte Fischerdörfchen.

Auch wenn Lignano und ich einander erst ganz kurz kennen, meine neue Lieblingsstelle in dem Ort steht fest: die Marina Punta Faro, weil Stefano Baldo von dort mit seinem Ponton-Boot in die stille Lagune aufbricht. Rasch lässt er den Badeort hinter sich, und schon nach kurzer Zeit in der Laguna di Marano wirkt die Skyline von Lignano mickrig, der dichte Schilfgürtel entfaltet seine beruhigende Wirkung.

Irgendwann verlässt Stefano den mit Pfählen markierten Weg durchs seichte Wasser, auf dem man von Venedig bis nach Triest gelangt, ohne aufs offene Meer zu müssen. Er biegt in die Mündung des Flusses Stella ein, die Naturschutzgebiet ist und so unglaubwürdig wirkt wie eine Fata Morgana in unmittelbarer Nachbarschaft zur Betonwüste der Badeorte. Stefano hat dort zusammen mit einem befreundeten Fischer eine Casone, eine reetgedeckte Hütte, restauriert. Die Häuschen werden über Generationen in den Fischerfamilien weitergegeben und dürfen nicht verkauft werden. "So muss Venedig vor ein paar hundert Jahren ausgesehen haben", sagt Stefano und deutet auf das Ensemble aus 16 Hütten auf mehreren Inseln.

Wirklich perfekt wird das Idyll zwei Flussbiegungen weiter. Daniele Ciprian hat ein gigantisches Fischernetz über die Stella gespannt, das er absenkt, sobald Besuch zum Essen kommt. Unter den strengen Blicken von Ernest Hemingway, dessen Konterfei seit einem Besuch in der Lagune an der Wand von Danieles Fischerhütte hängt, wird der Fang frisch zubereitet. Rechtzeitig zum Sonnenuntergang bringt einen das Boot zurück in das "idyllische Fischerdörfchen Lignano". (Sascha Aumüller, 13.5.2022)

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