Wie war noch gleich das ständige Argument der Russland-Versteher in Österreichs Energiewirtschaft? "Die Russen haben immer geliefert, auch zu Zeiten des Kalten Krieges." Stimmt – bis sie jetzt eben nicht mehr lieferten, zu Zeiten von Wladimir Putins Krieg. Die Gazprom verweigert schon seit Monaten Aufstockungswünsche der österreichischen Abnehmer, offenbar als Vorbereitung von Putins Erpressungspotenzial für den längst geplanten Überfall auf die Ukraine. Aus diesem Grund ist ein wichtiger Gasspeicher im salzburgischen Haidach jetzt leer.

Gasspeicheranlage Haidach bei Straßwalchen.
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Haidach ist der zweitgrößte Gasspeicher Mitteleuropas und vor allem für das "Chemiedreieck" im benachbarten Bayern, aber auch für Westösterreich strategisch wichtig. Der bayrische Ministerpräsident Markus Söder hat denn auch schon den österreichischen Kanzler aufgefordert, dafür zu sorgen, dass Gazprom den Speicher füllt: "In Deutschland können Enteignungen stattfinden. Österreich hat etwas Vergleichbares nicht."

Enteignungen? Durch einen Kanzler, dessen Partei immer auf Achtung des Privateigentums gesetzt hat? Abgesehen von rechtsstaatlicher Verträglichkeit – wer soll dann noch bei uns investieren, wenn man so einfach enteignen kann.

Faktum ist, dass die beiden Krisen – Corona und die Energiekrise im Gefolge von Putins Krieg – einen Paradigmenwechsel einleiten. Das Primat der Politik über den Markt: Der Staat muss regulieren, verordnen, notfalls eben die Verfügungsgewalt über wichtige Betriebe ergreifen. Prinzipiell heißt das "Kriegsrecht" oder "nationaler Notstand" oder "Ausnahmezustand". Sofern die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind (was sie in Österreich derzeit nicht oder sehr unvollständig sind), kann auch enteignet werden. Der Speicher Haidach gehört aber nicht nur der Gazprom alleine, sondern auch der im Besitz einiger Bundesländer befindlichen RAG (Rohölaufsuchungs AG) und der deutschen Wingas.

Zwangsverwaltung

Verstaatlichen muss nicht sein, Kanzler Nehammer drohte bereits mit Zwangsverwaltung von Haidach. Wenn Gazprom nicht liefere, könne man andere Gasfirmen zur Befüllung einladen: "Wenn er nicht gefüllt wird, sollen ihn andere Energieunternehmen nutzen." Ein Vorbild gibt es: Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck hat schon vor Wochen die "Gazprom Germania" unter Treuhandverwaltung gestellt. Allerdings müsste dazu auch in Österreich eine gesetzliche Regelung geschaffen werden.

Tatsächlich bricht die nationale Not auch bisher marktwirtschaftliches oder auch "neoliberales" Gebot. Nehammer ging sogar noch weiter und dachte Abschöpfung überdurchschnittlicher Gewinne bei den Energiefirmen an, um sie an die Konsumenten weiterzugeben. Er zweifelte sogar an, ob es klug war, Infrastrukturbetriebe wie den Verbund oder die OMV teilzuprivatisieren. Verfechter der reinen marktwirtschaftlichen Lehre erlitten Ohnmachtsanfälle.

Die Abschöpfung der Gewinne könnte durch eine Sonderdividende erfolgen, die der Aktionär Staat erzwingen (oder, mangels Mehrheit, "empfehlen") könnte. Nur zur Erinnerung: Ein Großteil der sogenannten Verstaatlichten Industrie wurde in den 80er-Jahren teilprivatisiert, weil sie damals pleite war.

Ob Nehammer nun ein "Herz-Jesu-Bolschewik" ist, weil er aus dem christlichen Arbeitnehmerflügel ÖAAB der Volkspartei kommt, ist eine Diskussion, für die jetzt aber die Zeit fehlt. Es geht um Sicherung der Energiezufuhr, und das verlangt in Krisen und Kriegszeiten auch rigide staatliche Eingriffe. (Hans Rauscher, 13.5.2022)