In politische Positionen muss auch die unbürokratische Aufnahme und eine friedliche Perspektive von und für Personen, die sich dem Krieg verweigern, Eingang finden, erinnert Julia Steiner von der Deserteurs- und Flüchtlingsberatung im Gastkommentar.

Das Deserteursdenkmal in Wien.
Foto: APA / Herbert Neubauer

Kriegsdienstverweigerung und Desertion, wie sie in den Neunzigerjahren in den Kriegen auf dem Balkan eine Rolle gespielt haben, sind heute kaum denkbar. Diese damals massenhaft ausgeübte Aktionsform hat Armeen aller Seiten vor ernsthafte Rekrutierungsprobleme gestellt. Das scheint so fern wie noch nie. Heute sprechen wir über Erweiterungen von Militärbündnissen und militärische Aufrüstung. Der Dienst an der Waffe wird dabei heroisiert und als patriotische Pflicht aller Männer in wehrfähigem Alter dargestellt. Und dabei reproduzieren wir veraltete Rollenmuster, indem wir ganz selbstverständlich davon ausgehen, dass Frauen und Kinder vor dem Krieg fliehen, Männer zum Kämpfen bleiben. Das elementare Recht, nicht zu töten und nicht getötet zu werden, muss aber allen Menschen zugesprochen werden.

Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung

Im Jahr 2011 stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) klar, dass es ein Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gründen des Artikels 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), des Rechts auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, gibt. Diesem folgten weitere Meilensteine in der Rechtsprechung zum Recht auf Kriegsdienstverweigerung oder Desertion. In der Praxis erschweren jedoch zahlreiche Hürden, zum Beispiel fehlende Beweismittel und Berichte, die Anerkennung von Personen, die den Kriegsdienst verweigern, als anerkannte Flüchtlinge.

Die unbürokratische Aufnahme und damit einhergehend eine friedliche Perspektive von und für Personen, die sich dem Krieg verweigern, ist eine politische und antimilitaristische Notwendigkeit, die Eingang in politische Positionen finden muss.

Nicht mehr und nicht bessere Waffen führen zu friedlichen Lösungen und damit verbunden zu weniger Leid. Vielmehr sollten wir dem alten, antimilitaristischen Slogan der Friedensbewegung folgen: Stell dir vor, es ist Krieg und keine:r geht hin! (Julia Steiner, 15.5.2022)