Der Lobautunnel-Stopp durch die grüne Verkehrsministerin Leonore Gewessler ist ein Fest für Gutachter. Vier Expertisen um je 17.000 Euro hat die Wiener Wirtschaftskammer – ihres Zeichens vehemente Tunnelverfechterin – in Auftrag gegeben, um die Absage zu bekämpfen. Nun hat sich auch die Stadt, ebenfalls Tunnelbefürworterin, von einem Anwalt bestätigen zu lassen, was aus den Kammergutachten ohnehin bekannt war: dass die Ministerin ein per Bundesstraßengesetz fixiertes Projekt nicht einfach absagen könne. Kostenpunkt: 25.000 Euro – Steuergeld. Das ermüdende Spiel, die eigene Position mit Studien zu untermauern, beherrscht auch Gewessler. "Umfassende" Gutachten würden bestätigen, dass sie rechtskonform handle, wiederholt sie gebetsmühlenartig.

Das Protestcamp gegen den Bau des Lobautunnels nach der Räumung.
Foto: Regine Hendrich

Die raren Momente, in denen Gutachter für den Auftraggeber unbequeme Wahrheiten aussprechen, die gibt es aber auch. Den Tunnel von Wien aus einzuklagen sei nicht möglich, erklärte der nun engagierte Anwalt am Freitag. Ein unangenehmer Befund für die hiesigen Tunnelanhänger: Immerhin hatten die Wirtschaftskammer und Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) vollmundig Klagen angekündigt, auch das ÖVP-regierte Niederösterreich wollte sich anschließen. Anstatt noch mehr Gutachter zu bezahlen, sollten sich Gewesslers Kontrahenten eingestehen, dass eigentlich nur zwei Optionen bleiben: Die erste, eine Ministeranklage, ist mangels Mehrheit im Nationalrat lediglich eine theoretische. Praktisch scheint es auf die zweite Möglichkeit hinauszulaufen: partei- und bundesländerübergreifendes Nerven. Etwa, indem man die Ministerin bei der EU verpetzt oder sie auflaufen lässt – wie derzeit die Wiener SPÖ und Niederösterreichs ÖVP beim Aushandeln von Tunnel-Alternativen, die Gewessler bis Jahresende versprochen hat. Das ist anstrengender, als Gutachter zu beauftragen, aber wohl wirkungsvoller – und sicher billiger.(Stefanie Rachbauer, 13.5.2022)